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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso
Autoren: Arne Dahl
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erdenklich dämlich begonnen. Es war stickig gewesen im Schlafzimmer, die frühe Morgensonne hatte auf den Jalousien gestanden und den Mief noch aufgeheizt. Er war näher an Cilla herangerückt, die aber, als sie seine Erregung spürte, ein Stück von ihm weggerutscht war. Er hatte es nicht gemerkt, nicht merken wollen, war in seiner hartnäckig pochenden Geilheit weiter hinter ihr her gerobbt. Und sie war weiter von ihm weggerutscht, bis sie die Bettkante erreichte und aus dem Bett fiel. Er war hochgefahren, auf einen Schlag hellwach, und abrupt erschlafft. Sie hatte sich langsam aufgerappelt, kopfschüttelnd, wortlos wütend. Dann hatte sie eine Hand in den Slip geschoben, eine blutige Binde herausgezogen und sie ihm vor die Nase gehalten, worauf er angeekelt und entschuldigend zugleich das Gesicht verzogen hatte. In dem Augenblick hatten sie Dannes vierzehnjährig-pickeliges und völlig entgeistertes Gesicht in der Tür entdeckt. Im nächsten Moment war er davongestürzt. Seine Zimmertür krachte, der Schlüssel drehte sich im Schloss, und Public Enemy rappte in voller Lautstärke los. Hjelm und Cilla tauschten kurze Blicke. Plötzlich waren sie in einem wirren Schuldgefühl wieder vereint. Cilla lief über den Flur, aber ihr Klopfen an Dannes Tür war aussichtslos.
    Wenig später saßen sie am Frühstückstisch.
    Tova und Danne waren schon in der Schule. Danne hatte weder gefrühstückt noch ein Wort gesagt, keinen von ihnen auch nur eines Blickes gewürdigt.
    Es sah aus, als spräche Cilla Hjelm mit den Spatzen auf dem Vogeltisch draußen vorm Fenster ihres Reihenhauses: »Du bist bei zwei Geburten dabei gewesen. Wie zum Teufel kann es angehen, dass du dich immer noch vor den weiblichen Körperfunktionen ekelst?«
    Er war vollkommen leer. Der Wagen ließ Slagstas Kleingartenkolonie rechts und die Brunnaschule links liegen und erreichte kurz darauf den Tomtbergavägen, der den schwer definierbaren Grenzbereich (mit fast vierhundert Hausnummern) zwischen Hallunda und Norsborg wie ein überdimensionales Hufeisen einrahmte. Dann bog der Wagen scharf nach links ins Zentrum von Hallunda ab; einen Augenblick lang hatte Hjelm Svante Ernstsson auf dem Schoß. Sie tauschten müde Blicke und sahen die kurzen, aber dichtbesiedelten Sackgassen Lindvägen, Kornvägen, Hampvägen, Havrevägen vor dem Fenster vorbeiziehen, die brutale Phantasielosigkeit der hohen, gleichförmigen Sechziger- und Siebziger-Jahre-Klötze. Nährboden, dachte Paul Hjelm, ohne genau zu wissen, wie er darauf kam.
    Auf dem Marktplatz standen drei Polizeiwagen mit offenen Türen, hinter denen ein paar Uniformierte mit gezogenen Dienstwaffen kauerten und in völlig verschiedene Richtungen zielten. Weitere Polizisten waren damit beschäftigt, Schaulustige, Mütter mit Kinderwagen und Hundebesitzer zu verscheuchen.
    Sie hielten neben den anderen Polizeiwagen. Die beiden Polizisten stiegen sofort aus und eilten ihren Kollegen zu Hilfe. Es ging um die »Evakuierung des Bereichs«, so hieß es zumindest später in den Akten. Hjelm saß noch halb im Auto, als Ernstsson bereits auf dem Weg zum nächsten Wagen war, aus dem sich Johan Bringmans schlaffe Gestalt zwängte und träge den Rücken streckte.
    »Die Ausländerbehörde«, sagte er mitten im Strecken. »Drei Geiseln.«
    »Okay, was wissen wir?« fragte Ernstsson, aus höchsten Höhen auf Bringmans krummen Rücken herabblickend, und knöpfte angesichts der Spätwintersonne seine Lederjacke auf.
    »Schrotflinte, zweiter Stock. Der größte Teil des Gebäudes ist geräumt. Wir warten auf die Spezialeinheit.«
    »Aus Kungsholmen?« fragte Hjelm. »Das kann dauern. Hast du gesehen, was für ein Verkehr auf der E 4 ist?«
    »Wo steckt Bruun?« fragte Ernstsson.
    Bringman zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wartet wahrscheinlich auf die Promis, denke ich mir. Na, egal, eine Angestellte aus dem Büro hat es nach draußen geschafft. Kommen Sie doch mal her, Johanna, ja genau. Das ist Johanna Nilsson, sie arbeitet da drinnen.«
    Eine blonde Frau in den Vierzigern stieg aus dem Polizeiwagen und blieb vor Ernstsson stehen, eine Hand an der Stirn, während sie an den Nägeln der anderen kaute. Svante Ernstsson legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte beschwichtigend: »Versuchen Sie, ganz ruhig zu bleiben. Wir werden das schon regeln. Kennen Sie den Mann?«
    »Er heißt Dritero Frakulla«, sagte Johanna Nilsson mit brüchiger Stimme. »Kosovoalbaner. Die Familie lebt schon eine ganze Weile hier. Jetzt sind
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