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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares
Autoren: Stephen Baxter
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Hemisphäre des Mars, wo in acht Tagen die Wintersonnenwende eintritt. Der Himmel hat eine ockerfarbene Tönung. Die Landschaft ist von einer lachsrosa Staubschicht überzogen. Der Rote Planet ist im Grunde gar nicht so rot: die vorherrschende Farbe ist ein pastelliges Gelbbraun. Grün und Blau gibt es überhaupt nicht. Falls die Menschen jemals den Mars kolonisieren – nein, es muß heißen wenn –, werden wir viele neue Wortschöpfungen für Brauntöne kreieren müssen.
    Ich stehe fast auf dem Marsäquator. Damit Sie ungefähr
    wissen, wo ich mich befinde: der große Tharsis-Buckel mit den drei mächtigen Schildvulkanen ist ein paar tausend Kilometer östlich von meiner Position gelegen, und Olympus Mons, der größte Vulkan des Sonnensystems, liegt ungefähr genauso weit im Norden.
    Die Region, in der wir uns befinden, ist ein Ausläufer von Tharsis. Obwohl die Oberfläche hier scheinbar so flach wie ein Strand ist, stehe ich, wenn ich dem MEM den Rücken
    zuwende, auf einem Abhang mit einem Gefälle von ein paar Zehntel Grad.«
    Sie ließ den Blick über das Panorama von Mangala Vallis
    schweifen.
    »Das MEM steht auf einer Oberfläche, die mit Geröll übersät ist. Die Größe der Felsen schwankt etwa zwischen einem
    halben und zwei Metern. Die Felsen weisen Blasen auf. Das heißt, in der Gesteinsoberfläche sind Bläschen eingeschlossen, was wiederum bedeutet, daß es sich bei den Felsen
    wahrscheinlich um Brocken erstarrter Lava handelt. Das
    Gestein ist durchgehend punktiert und gerillt. Das ist
    vermutlich durch Winderosion bedingt. Ich sehe auch kleinere Formationen, die wie Kieselsteine aussehen, doch bin ich ziemlich sicher, daß es sich um Zusammenballungen von
    Durikruste handelt. Zusammengebackene Bruchstücke der
    Oberfläche. Die Oberfläche kann man eigentlich nicht als Sand bezeichnen; sie ist viel feinkörniger und gleicht eher
    Puderzucker. Ich bin sicher, daß der Staub das Resultat der langsamen Verwitterung der Felsen ist, die von starker
    Oxidation begleitet wird. Die Felsen weisen die rotbraune Färbung auf, die für Smektit-Lehm charakteristisch ist…
    Ich sehe, daß geologische Prozesse auch heute noch diese Landschaft formen. Die Oberfläche ist eindeutig vom Wind gescheuert worden: die Landschaft ist erodiert, und der Staub unter meinen Füßen ist sicher schon um den ganzen Planeten getragen worden. Vom geologischen Standpunkt wird hier eindeutig eine Ereigniskette abgebildet: Einschlag, Wind, vulkanische Tätigkeit, möglicherweise Überflutungen,
    wahrscheinlich Grundeis.
    Der Mond ist eine alte Welt; wir schätzen sein Alter auf eine Milliarde Jahre oder mehr. Doch wo ich nun hier stehe, ist es offensichtlich für mich, daß der Mars, ebenso wie die Erde, sich noch in einem Entwicklungsprozeß befindet. Er lebt sozusagen noch.«
    Dann meldete Natalie sich für lange Zeit nicht mehr.
    »Natalie«, sagte Stone sanft. »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Ja, alles in Ordnung, Phil.«
    Sie stellte sich vor, wie ihre Worte zur Erde und darüber hinaus abgestrahlt wurden; sie wünschte sich, sie könnte sie zurückholen. Mit Worten ist es nicht zu beschreiben. Es wird nie mit Worten zu beschreiben sein.
    Aber ich habe mein Bestes getan.
    Es war an der Zeit.
    »Ich trete nun vom Landeteller hinunter«, sagte sie.
    Sie hielt sich mit der rechten Hand an der Leiter fest und beugte sich nach links. Dann hob sie den Stiefel über die Lippe des Landetellers, schob den Fuß etwas nach vorn und senkte ihn ganz vorsichtig in den Staub.
    Alle waren still: Stone, Gershwin, die entfernte Erde. Es war, als ob die gesamte Schöpfung sich in diesem Moment auf sie konzentrierte. Sie testete das Gewicht und hüpfte in der geringen Schwerkraft auf einem Bein. Der Mars-Regolith war massiv genug, um sie zu tragen. Doch das hatte sie auch vorher schon gewußt.
    Sie stand mit einem Bein auf diesem primitiven Artefakt von der Erde und mit dem anderen auf dem jungfräulichen Boden von Mangala. Sie ließ kurz den Blick über die tote Landschaft schweifen. Das Blickfeld wurde vom Helmvisier begrenzt, und sie sah, wie das pastellige ockerfarbene Licht ihr über Nase und Wangen spielte – über das Gesicht eines Menschen auf dem Mars.
    Sie hielt sich an der Leiter fest und stellte den rechten Fuß auf den Boden. Dann ließ sie die Leiter zaghaft los und stand nun freihändig auf dem Mars.
    Sie machte einen Schritt nach vorn, und noch einen.
    Die Stiefel hinterließen deutliche Spuren mit dem Abdruck des Sohlenprofils.
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