Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
wegfuhr, ging Vanessa zur Tür von Nummer 14 und klopfte laut. Sogar auf die Entfernung drang der Lärm von Zeichentrickfilmen und Werbespots aus dem Zimmer, und die Fenster klapperten, als besäßen sie Stereo-Woofer.
    Vanessas unerwarteter Vorstoß schreckte John und Ryan auf, und sie tauchten hinter Marilyns BMW ab. »Hallooo ...«, sagte Vanessa und klopfte erneut, diesmal lauter. »Hallooo - Mrs. Heatherington? Fawn Heatherington?« Vanessa pochte an die Fensterscheibe, und da öffnete sich flatternd ein Schlitz in den Vorhängen, die vergilbt, nikotindurchtränkt und fadenscheinig waren. Die Zimmertür öffnete sich einen Spalt weit. »Ja?« Drinnen quiekte Bugs Bunny. »Ich bin Mona. Mein Onkel leitet den Laden hier. Haben Sie aus Versehen einen Zwanzig-Dollar-Schein an der Rezeption liegen lassen?« Sie hielt die Banknote hoch. Die Tür öffnete sich ein Stück weiter. »Ach ja, hab ich - wie aufmerksam von Ihnen.«
    »Gern geschehen, Mrs. Heatherington. Ist doch selbstverständlich.«
    Marilyn zupfte den Geldschein aus Vanessas Fingerspitzen und murmelte »Nadannvielendankaufwiedersehen«, doch Vanessa schob ihren Fuß in die Tür. »Ja, bitte?«, fragte Marilyn sichtlich angespannt.
    »Tut mir Leid, dass ich Sie noch weiter belästigen muss, Mrs. Heatherington, aber ...« 
    »Fawn. Sagen Sie Fawn zu mir.«
    »Also, tut mir Leid, dass ich Sie noch weiter belästigen muss, Fawn, es ist nur so, dass ...« Vanessas Blick fiel auf die alten Gardinen. »Es ist nur so, dass ich seit einem Jahr versuche, meinen Onkel dazu zu bewegen, neue Vorhänge für die Zimmer zu kaufen. Sehen Sie, wie schäbig die sind?« 
    »Ja, schon.«
    »Fein. Wenn Sie das einfach beim Auschecken erwähnen könnten, hätte ich bestimmt etwas mehr in der Hand. Er ist ziemlich geizig.« 
    »Auf jeden Fall.«
    Die Tür ging zu, und Vanessa rauschte zu ihrem Zimmer hinüber, Nummer 7. John und Ryan folgten ihr, wozu sie hinter dem BMW hervorkrabbeln und sich unter Marilyns Fenster wegducken mussten. Als sie das Zimmer betraten, sagte Vanessa: »Sie ist nicht allein.« 
    »Woher weißt du das?«, fragte John.
    »Ich habe jemandem im Badezimmer klappern hören. Trotz des Trickfilmlärms.«
    »Hast du sonst noch irgendwas da drin gesehen? Klamotten? Bücher ? Zeitschriften ?«
    »Nein. Das Zimmer sieht aus wie unbewohnt.« Ryan wollte wissen, ob es genauso geschnitten war wie das, in dem sie sich befanden, und Vanessa meinte, vermutlich ja. »Dann komm mit mir nach hinten«, sagte Ryan. »Lass uns nachschauen, ob es irgendeinen Fluchtweg gibt, den wir im Auge behalten sollten.« Sie gingen ins Badezimmer und inspizierten das Fenster neben dem Waschbecken. »Ich weiß nicht, ob das Fenster groß genug zum Hinauskriechen ist«, sagte John.
    »Ich glaube schon«, sagte Ryan. »Guck.« Er stemmte sich hoch, den Bauch an die staubige, geschwärzte Aluminiumleiste daneben gepresst.
    »Ryan«, sagte Vanessa. »Komm da runter.« 
    »Nein. Ich will bloß mal sehen, ob ...« Das Geräusch von Marilyns BMW, der vom Parkplatz brauste und in Richtung Westen auf den Highway fuhr, schnitt ihm das Wort ab. »Scheiße«, sagte John. Er trat ein Loch in die Tür von Nummer 7.
    »Sei nicht so melodramatisch«, sagte Vanessa. »Ivan wird gleich wieder hier sein. Lass uns abwarten.«
    »Ich wette, sie hat uns hinter ihrem Wagen gesehen«, sagte Ryan.
    Sie warteten draußen auf Ivan, und John war sichtlich aufgelöst. Vanessa fragte ihn, ob er sich nicht wieder beruhigen wolle, und er war sich nicht sicher. Die Sonne stand noch knapp über den Bergen im Westen. Der Wind pfiff an ihnen vorbei, und John erinnerte sich an den Wind von damals, als er durchs Land geirrt war. Er musste daran denken, dass er niemals die Luft verläßt.
    Ryan versuchte wieder gutzumachen, dass er die drei von Marilyns Abgang abgelenkt hatte. Er ging zur Tür von Nr. 14 und drehte am Türknopf. Es funktionierte, und die Tür ging auf. Er inspizierte das Zimmer, fand jedoch keinerlei Hinweise.
    »Mensch, Sheriff Perkins«, sagte Vanessa, »diese verdammten Gauner haben ein Streichholzbriefchen vom Stork Club dagelassen. Schau mal - auf der Innenseite steht sogar eine Telefonnummer: Klondike 5 bla-bla-bla-bla.« 
    »Ein bisschen mehr moralische Unterstützung und ein bisschen weniger Sarkasmus, Vanny.«
    Ivan kam angefahren, und die drei drängelten sich in den Wagen wie junge Hunde. »Da lang«, sagte John. »Sie ist uns zwei Minuten voraus.«
    Das Auto schlitterte träge Kies
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher