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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming
Autoren: Douglas Coupland
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hatte, in die Mülltonne eines Fremden und überlegte, wo sie als Nächstes hin konnte. Ihre Wahl fiel auf Indiana.
     

Kapitel Drei
     
     
    Im Krankenhaus erwachte John gerade lange genug, um den Arzt zu einer Schwester sagen zu hören, seine Lungen seien voll mit »ungefähr fünf Dosen Champignoncremesuppe«, und dann: »Himmel, der sieht ja furchtbar aus. Ich hab schon Steaks gegessen, die einen gesünderen Eindruck machten als der hier. Er ist runter auf - was? Sechzehn T-Zellen? Der Typ kommt mir irgendwie bekannt vor. Einer vom Film?«
    »Johnson. Er hat Bei Air PI gemacht. »Im Ernst? Was noch?« »Bei Air PI 2.«
    »Ach ja - das war einer der seltenen Fälle, wo der zweite Teil besser war als das Original.«
    »Ja, schon, aber haben Sie mal The Wild Land gesehen?« 
    »Nee. Nie davon gehört.«
    »Da sind Sie nicht der Einzige. Der Film ist nicht mal auf Video rausgekommen. Ich glaube, er ging so ungefähr direkt nach Malaysia.«
    »Moment mal - hat der Typ hier nicht The Other Side of Hate gemacht?«
    »Bingo. Der wurde von Anfang an nur auf Langstreckenflügen gezeigt. Die Muster hätten sie ebenso gut direkt an Boeing schicken können.«
    »Für den Film verdient er es, in der Hölle zu schmoren. Ich bin in einem Jahr achtmal von einer Küste zur anderen geflogen, und dieser Film lag wie ein Fluch auf meinem Leben. Er hat mich überallhin verfolgt, egal, wo ich hingereist bin.« 
    »Wenigstens konnte unser Freund sich davon ein paar Spielsachen leisten. Sehen Sie sich mal die Fesselspuren an Hand-und Fußgelenken an.«
    Der Arzt und die Schwester inspizierten seinen Körper wie einen zu mickrig geratenen Weihnachtsbaum. »Na, ich sag ja immer, wer's mag. 2,eit, ihm mal wieder den Schmodder aus den Lungen zu saugen. Und behalten Sie sein EEG im Auge, für den Fall, dass er schlappmacht. Die Pillensuppe von dem Typen! Mann, was für 'n Zeug. Fast so 'n Schneekönig wie Walt Disney.« Die Schwester schaltete einen Absaugschlauch ein, stellte ihn jedoch wieder aus, als John ein Geräusch von sich gab. »Gahsichu wijo.«
    »Er sagt irgendwas. Aber was?« 
    »Gahsnichu wijo.«
    »Ich versteh nur Bahnhof. Noch mal ...«
    »Ich glaube, er will sagen: ›Den gab's nicht nur auf Video. ‹ «
    »Was?«
    »Weil Länn.«
    »The Wild Land.«
    »Ahschoch.«
    »Tja, Herr Doktor, ich glaube, er hat Ihnen gerade ein Kompliment gemacht.«
    Ungeachtet dessen, was seine medizinischen Betreuer glaubten, war er sich sicher, dass es eine Infektion war, die ihn fast umgebracht hätte, und nicht etwa eine Überdosis von fünf verschiedenen Medikamenten, gemischt mit Cognac und zwei Slimfast-Erdbeershakes.
     
    Die Nacht, in der er starb, hätte eigentlich eine typische Donnerstagnacht werden sollen: Gegen 23 Uhr das Haus verlassen, mit einem Freund von Ivan ausgehen, der aus New York zu Besuch war, um ein erfolgreiches Theaterstück zu verkaufen - vielleicht sollte er auf ein paar Streicheleinheiten mit ihm zu Melody gehen. Doch als John nachmittags aufwachte, war ihm übel, alles tat ihm weh, und er konnte nicht klar denken. Er hielt diese Symptome für eine heftige Reaktion auf den vergangenen Abend, an dem er Methamphetamine und Tranquilizer eingeworfen und sich in ein Bondage-Outfit gequetscht hatte. An der Lederkapuze hatte er sich den Adamsapfel wund gescheuert. Er glaubte sich zu erinnern, einen Strick zu fest angezogen zu haben. Eine Stelle an seiner Peniswurzel tat weh - autsch -, war etwa die Hautoberfläche verletzt? Und der Vasarely-Aschenbecher, der so teuer gewesen war wie ein fabrikneuer Kleinwagen, war in drei wertlose Stücke zersprungen.
    Bei Sonnenuntergang hatte Kay seine Küche fertig geputzt und sein Mittagessen in Frischhaltefolie gewickelt. Er hörte, wie ihr Wagen aus der Einfahrt rollte. Eine Welle der Übelkeit brandete über ihn hinweg, und sein Atem ging flacher. Er schleppte seinen zerschlagenen Körper zur Duschkabine, um sich zu übergeben. Danach fingerte er unter dem Abfluss des Waschbeckens eine heruntergefallene Oxazepam-Tablette hervor und kaute sie. Wie ein Häufchen Elend an die Schieferplatten gelehnt, zog er sich aus, drehte dann den Heißwasserhahn auf und merkte, wie wenig er den Tag über zu sich genommen hatte - Seetang, Basmati-Reis, eine Grapefruit, einen Algendrink und sechs Kit-Kats. Während ihm das Wasser über die Haut lief, wurde er ohnmächtig.
    Als er wieder zu sich kam, war das Wasser, das auf ihn herabregnete, fast kalt, und der Himmel draußen völlig dunkel. Er
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