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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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rückwärts, als wiche er vor einem großen und möglicherweise gefährlichen Tier zurück. Im Stehen wirkte er noch kleiner, sein schmutziger Mantel flatterte ihm um die Beine. »Ich hab’s nicht böse gemeint«, wiederholte er.
    »Gut«, bekräftigte Ned. »Und es ist nichts passiert - noch nicht. Hau jetzt ab, bevor sich das noch ändert.«
    Ned blickte immer noch finster drein und behielt seine angriffslustige Haltung bei, bis der Mann sich von der Straße abwandte und von dannen zog. Dann entspannte er sich. »Bei Ihnen alles in Ordnung, Miss?«
    »Ja, ich - wer war das?«, hauchte Mary.
    »Ach, irgendein Landstreicher oder so.« Ned zuckte mit den Achseln. »Ganz schön gefährlich, wenn Sie mit diesen Kerlen reden. Wo kam der denn her?«
    »Ich habe keine Ahnung. Auf einmal war er da . Er war mir unangenehm«, gestand sie, »aber … vielleicht hätte er uns helfen können.«
    »Er hätte wohl eher sich selbst geholfen und Mr. Traceys Geldbeutel mitgehen lassen«, spöttelte Ned, »und Ihren noch dazu. Dachte wohl, er hätt’nen guten Fang gemacht, nehm ich mal an, wo nur Sie beide da waren.« Er betrachtete den Verletzten mit Besorgnis. »Er sieht echt nich gut aus.«
    »Ja«, sagte Mary und nickte dabei, »ich glaube, er ist ernsthaft krank.« Sie schalt sich dafür, dem Landstreicher erlaubt zu haben, sie von ihrer eigentlichen Tätigkeit abzulenken. Als sie aber nun mit Ned darüber sprach, stellte sich heraus, dass für den Leidenden im Moment gar nicht mehr getan werden konnte. Ned hatte den Gig repariert, aber er war zu klein und zu klapperig, um Mr.Tracey in seinem derzeitigen Zustand zu transportieren. Sie mussten einfach auf den Arzt warten. Als Tracey abermals blutigen Speichel hustete, fragten sie sich, ob ein Arzt ihn überhaupt noch würde retten können.
    Dann war oben auf der Landstraße das Klappern von Pferdehufen zu vernehmen. »Hallo! Ned Garrow! Haallo!«, rief jemand.
    Ned erhob sich. »Bist du das, Ned Jenkins?«, rief er. »Hast dir ganz schön viel Zeit gelassen. Wo ist der Arzt?«
    »Gibt keinen Arzt«, erwiderte der andere Ned mürrisch, als hätte ihn die ungute Nachricht zu diesem Tonfall veranlasst. »Dr. Truelove ist bei einer Lady, der es schlecht geht, oben im Elmswell Way, und der Apotheker, sagt, er kann nich kommen.«
    »Der alte Dimcock? Warum denn nicht?«
    »Er sagt, er kann nicht fahren und nich reiten, seit sein Rheuma so schlimm ist. Er sagt, wir sollen den Gentleman zum White Horse bringen, wenn er noch lebt, und zu Fletcher, dem Leichenbestatter, wenn er tot ist. Ich hab hier Tom Bamfords Planwagen, damit man von außen nichts erkennen kann.«
    »Er ist noch nicht tot«, sagte Ned Garrow, »aber ziemlich nah dran.« Einen Augenblick hielt er inne. »Worauf wartest du noch? Hilf mir, diesen Gig auf die Straße zu bringen, und dann müssen wir ihn hinaufschaffen. Das kann ich nicht ganz alleine machen. Das ist ja wohl klar.«
    »Gut. Ich komme«, murrte Ned Jenkins, als er sich von der Straße auf dem abschüssigen Boden vorsichtig einen Weg in den Graben bahnte. »Elender Scheißkerl«, fügte er noch im Flüsterton hinzu.
    »Wo sind denn deine Manieren geblieben«, blaffte Ned Garrow ihn an. »Hier ist eine Lady, und die legt keinen Wert darauf, so ungesittetes Zeug zu hören.«
    »’tschuldigung. Selbstverständlich, Miss«, murrte der andere Ned. »Hab Sie gar nicht gesehen.«
    Mary schwankte ein wenig, als sie sich erhob, und schüttelte ihr nasses Kleid aus. Auf einmal war ihr unglaublich kalt, und ihre Knie und der Rücken schmerzten vom langen Knien an Mr. Traceys Seite. Als sie die Böschung hochkletterte, hielt sie Dr. Fairweather’s Elixier noch immer fest in den Händen und wartete dann auf die beiden Neds. Als diese Tracey auf den Boden des Wagens gelegt und Pferd sowie Gig hinten angebunden hatten, machte einer den Vorschlag, Mary solle zu dem Verletzten hineinklettern, um zu verhindern, dass er auf der Fahrt hin- und herrutschte.
    »Gib ihm ein Kissen«, sagte Ned Jenkins.
    »Halt jetzt mal die Klappe«, fuhr ihn Ned Garrow an.
    Mr. Tracey hatte, während sie zum Wagen gingen, abermals das Bewusstsein verloren. Als sie sich neben ihm niedergelassen hatte, versuchte Mary nochmals, ihm mit dem Elixier Leben einzuhauchen. Dieses Mal bewirkte es jedoch nichts, er hustete nur weiter Blut.
    »Alles in Ordnung, Miss?«, fragte Ned Garrow vom Kutschbock aus. »Wird wohl eine holprige Fahrt, aber ich vermute mal, ihm wird das nix ausmachen.«
    Während der
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