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Mischpoche

Titel: Mischpoche
Autoren: Gmeiner-Verlag
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vertrackt«, war Brandls Beginn gewesen, »die Regierung hat natürlich g’hört, was die Opposition will. Sie steht aber auf dem Standpunkt, dass man einen Rücktritt nicht widerrufen kann, dass es also keine rechtliche Möglichkeit gibt, die Sitzung vom 4. dieses Monats legal fortzusetzen. Wenn sich also morgen irgendwelche Abgeordnete im Parlamentsgebäude treffen, dann ist das, sagt die Regierung, nichts als eine nicht genehmigte Versammlung, die ergo ex lege von der Polizei, also uns, aufgelöst werden muss.«
    »Meinen Sie das auch, Herr Präsident?«, hatte Bronstein sanft Widerspruch signalisiert.
    »Was ich mein’, ist da leider sekundär, Herr Kollege.« Ein leichtes Zucken umspielte den Mund Brandls. Dann beugte er sich leicht nach vorn und begann zu flüstern: »Ich hab’ mich eh ganz weit aus dem Fenster g’lehnt, als mir der Dollfuß aufgetragen hat, im Parlament Tabula rasa zu machen. Ich hab’ nämlich g’fragt, ob das eine Weisung ist. Da hat er z’erst g’schaut wie ein Maikäfer, wenn’s blitzt, und dann hat er so laut Ja gebrüllt, dass ich glaubt hab’, das Haus fallt z’samm. Und stellen S’ Ihnen vor«, und dabei grinste Brandl schief, »ich hab’ mich nicht umblasen lassen, sondern hab noch g’meint: ›Gut, die hätt’ ich dann aber gern schriftlich.‹ Na, mehr hab’ ich nicht ’braucht.« Er machte eine ebenso bedeutungsschwangere wie verschwörerische Miene und lehnte sich zurück.
    »Und haben Sie sie gekriegt?«
    »Was?« Brandl zeigte sich verwirrt.
    »Na, die schriftliche Weisung.«
    »Ach so. Ja. Aber fragen Sie nicht, wie ich jetzt dasteh’. Und darum müssen wir jetzt die Anweisungen der Regierung auch punktgenau befolgen. Und zwar mit Mann und Maus. Da gibt’s jetzt keine Extrawürscht mehr.«
    Bronstein begann Übles zu schwanen. »Sie wollen, dass wir an der Verhinderung der Sitzung mitwirken?«
    »Wollen? Von Wollen kann keine Rede mehr sein. Wir müssen! Und wie Sie sich vorstellen können, Herr Kollege, kann ich da jetzt nicht mehr den Bezirksinspektor Meier und den Revierinspektor Müller hinschicken, da müssen schon die Prätorianer ausrücken … Also unter anderen Sie, Herr Kollege.«
    Bronstein starrte fassungslos auf den Präsidenten: »Herr Präsident, ich bin vom Mord. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich für so etwas …, ich mein’, … das geht doch nicht! Da können S’ mich ja gleich den Verkehr an der Opernkreuzung regeln lassen.«
    Brandls Lächeln schlug nun ins Sardonische um: »Herr Kollege, das ist eine Weisung. Und die können S’, wenn S’ wollen, gerne schriftlich haben. Sie finden sich morgen um 14 Uhr vor dem Parlamentsgebäude ein. Die Leitung der Aktion hat der Kollege Steinhäusl als Leiter des Sicherheitsbüros. Bei dem melden Sie sich dort… Danke!«
    In Brandls Büro waren die Temperaturen merklich gefallen. So frostig war es nicht einmal auf der Straße, und dass der Präsident Bronstein entließ, ohne ihm wenigstens einen guten Tag zu wünschen, ließ darauf schließen, wie verstimmt er war. Doch dieser Umstand bedrückte Bronstein weit weniger als der Hinweis, Steinhäusl würde der Kommandant vor Ort sein. »Ausgerechnet dieser Nazi«, dachte er angewidert, »das hat mir g’rad’ noch gefehlt.«
    Aber Brandl, das musste Bronstein eingestehen, hatte recht. Weisung war Weisung, und wenn sie nicht mit der geltenden Gesetzeslage in Widerspruch stand, dann musste sie befolgt werden. Da gab es keinerlei Ermessensspielraum. Ob ihm das privat nun passte oder nicht, das war Nebensache. Er nickte, erhob sich und wünschte dem Präsidenten aufgeräumt einen guten Tag.
    »Gleichfalls«, kam es schneidend zurück.
    »Der Oasch, der!« Bronstein konnte nicht an sich halten und schimpfte wie ein Rohrspatz, kaum, dass er wieder bei Cerny in seinem Amtsraum war.
    »Wer? Der Brandl?«
    »Genau der! Macht dem Dollfuß den Stiefelknecht! Wir sollen morgen die Abgeordneten kassieren. So als wären die irgendwelche Schränker oder sonstige Bazi. Glaubt man das? Der Brandl muss narrische Schwammerl gessen haben.«
    »Ich tät’ ihn nicht vorschnell verurteilen, den Brandl. Für seine Lage hält er sich ganz wacker«, erklärte Cerny.
    »Ganz wacker? Weil er eine schriftliche Weisung verlangt hat? Na, a scho wos!«
    » Nein. Weil er die Hahnenschwanzler genauso unter die Lupe nehmen lässt wie die Parlamentarier.«
    »Ha?«
    »Er hat erfahren, dass morgen der Fey in der böhmischen Hofkanzlei Hof hält. Dorthin sind Hunderte
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