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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Autoren: Ralf Isau
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obwohl es sich eher wie ein barsches Nein anhörte. Die Antwort von draußen klang dumpf, aber unbeeindruckt.
    »Ich bin es, Múria.«
    Ergil ließ den Atem geräuschvoll durch die Nase entweichen. »Inimai!« Er kam sich vor, als hätte ihn seine Lehrmeisterin bei irgendetwas Verbotenem ertappt. Wollte sie ihn wegen der jähen Flucht aus dem Saal des Bundes zurechtweisen? Zuzutrauen wäre es ihr – niemand am Hof hatte weniger Hemmungen, den König zu maßregeln, als dessen einstige Amme.
    »Darf ich hereinkommen?«, rief sie durch die Tür.
    »Ich muss nachdenken«, entgegnete er missmutig und hoffte inbrünstig, sie damit vertreiben zu können. Er hätte es besser wissen sollen.
    »Es geht um deine Mutter, nicht wahr?«
    Ergil schluckte. Wie konnte Inimai das ahnen?
    Die Tür schwang quietschend nach innen und gab den Blick auf die Hofgeschichtsschreiberin frei. Sie trug ein langes nachtfarbenes Samtkleid mit einem silbern schimmernden Gürtel. Ein Ausdruck von Sorge lag wie eine dunkle Wolke auf ihrem selbst nach zweihundertsechsundzwanzig Jahren immer noch jugendlich schönen Gesicht. Ihre strahlend blauen Augen musterten Ergil eingehend, ehe sie fragte: »Muss ich von hier draußen mit dir sprechen?«
    »Du würdest es glatt tun, nicht wahr?«
    Sie lächelte. »Wenn es nötig ist.«
    Er winkte sie mit einer fahrigen Geste herein.
    Múria betrat das Gemach und schloss behutsam die Tür hinter sich. Aufrecht, ganz ohne die untertänige Verkrampftheit, die Ergil seinen Dienern vergeblich auszutreiben versuchte, näherte sie sich ihm. Dazu musste sie einen dicken Teppich überqueren und einige Sitzmöbel umrunden. Der König saß vor einem prasselnden Kaminfeuer. Den Weg ins Innere seines labyrinthischen Palastes fanden nur Eingeweihte und die sommerliche Wärme gehörte eindeutig nicht dazu. Die Geschichtsschreiberin ließ sich in einen Sessel sinken, der Ergils brokatbespannter Bank direkt gegenüber stand. Anstatt den Grund ihres Besuches zu nennen, widmete sie sich hingebungsvoll dem Ordnen ihres Kleides.
    »Woher wusstest du, was mich beschäftigt?«, erkundigte er sich, weil ihr wissendes Lächeln ihm bald unerträglich wurde.
    Sie entdeckte eine weitere Falte, die zu glätten sich lohnte, und antwortete beiläufig: »Ich kenne dich, mein Lieber.«
    »Bin ich immer noch so leicht zu durchschauen?«
    Endlich hob sie ihre Augen. Múria verfügte über ein Repertoire an Blicken, die Männerherzen zerstören oder dahinschmelzen lassen, die schmeicheln und Verachtung ausdrücken, die belohnen und bestrafen konnten. Im Moment sah sie Ergil wie eine ältere Schwester an, die sich anschickte, ihrem kleinen Bruder die Welt zu erklären. »Das war leicht, mein Lieber. Du hast mich nicht einmal während der endlosen Wochen, als wir im letzten Jahr den Grotwall überquerten, so viel über Vania gefragt wie in den letzten paar Tagen nach unserer Heimkehr. Was geht dir durch den Kopf, Ergil?«
    »Ich muss immer wieder an die Begegnung mit Magos denken. Twikus und ich haben in dem schwarzen Eis des Kratersees Dinge gesehen und gehört, die uns fast in den Wahnsinn trieben.«
    »Du meinst die Bilder vom Tod deiner Eltern?«
    Er nickte. »Aber das war nicht alles. Magos hat uns gedroht. ›Ihr wollt also das Schicksal eures Vaters teilen‹, sagte er. Ich frage mich ständig, warum er mit keiner Silbe unsere Mutter erwähnt hat.«
    Múria überlegte einen tiefen Atemzug lang, ehe sie antwortete: »Torlund war, so wie ihr Zwillinge, ein König. Und er hat sein Reich verloren. Vielleicht wollte der Gott euch darauf hinweisen.«
    Ergil verzog das Gesicht. »Kann sein. Ich habe mir das auch immer wieder eingeredet, aber irgendetwas in mir gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Wusstest du, dass ich auf der Sooderburg so gut wie jede Nacht von Mutter träume? Das war schon so, bevor wir uns auf die Jagd nach Kaguan und dem schwarzen Schwert begeben haben.«
    Múrias Blick wanderte über sein Gesicht. »Du hattest mir schon früher erzählt, sie sei dir bereits im Großen Alten in deinen Träumen erschienen. Wundert es dich, wenn das hier, wo sie dich zur Welt gebracht hat, umso häufiger geschieht? Du vermisst eben deine Mutter. Das ist normal.«
    »Ist es auch normal, dass Twikus und ich im Großen Alten von einem Mädchen mit kupferfarbenem Haar geträumt haben?«
    »Nun, ihr habt die Elvenprinzessin ja schon als Knaben zum ersten Mal…«
    »Es war nicht Kira, die wir im Schlaf sahen, sondern Nishigo. Wenn wir von
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