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Millionär

Millionär

Titel: Millionär
Autoren: Tommy Jaud
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Hauswirtschaftsraum. Irgendwann sind wir einmal rum und ich bringe Herrn Wellberg zum ersten Mal zum Lachen mit der Frage:
    »Und . was kostet der Spaß?«
    »Jo för Üch es dat nix.«
    »WAS?«
    »Für Sie is dat nix!«
    Warum zeigt er mir die Wohnung dann? Um mich zu demütigen?
    »Sagen Sie mir trotzdem, wie hoch die Miete ist?«
    »2145 Euro. Kalt.«
    Vor meinem inneren Auge krachen vier dicke neongrüne Zahlen aufs Echtholzparkett: die 2, die 1, die 4 und die 5. Eines ist klar: Die kleinen Preise sind das schon mal nicht.
    2145 Euro. Kalt.
    Natürlich verpasse ich meine Bahn und muss die um 8 Uhr 56 nehmen. Ich ergattere einen Platz neben einem Fleischberg, vermutlich weiblichen Geschlechts in Stretchhose.
    2145 Euro. Kalt!
    Die Wohnung könnte sich ja noch nicht mal mein Kumpel Phil leisten und das heißt was, immerhin ist der Geschäftsführer. Ich bin nicht etwa neidisch oder so, ich könnte einfach nur kotzen vor Wut. Denn wenn ich neidisch wäre, dann würde ich schließlich selber viel Geld wollen und das will ich schon mal deswegen nicht, weil reiche Leute auch nicht glücklicher sind als arme. Da muss man sich nur mal Dieter Bohlen angucken. Was hat der denn bitteschön von seiner ganzen Kohle? Kriegt andauernd Sachen ins Gesicht geschüttet von aufgeregten Kackstelzen, die nicht singen können, und wird in seinem eigenen Haus öfter überfallen als ein US-Konvoi im Irak.
    »Sie schauen so wütend, ist alles okay mit Ihnen?«
    Ich starre den Fleischberg rechts von mir an.
    »Alles okay. Ich hatte nur kurz Angst, Sie würden mich zwischen Ihr Brot packen und aufessen.«
    Ich steige aus und überquere die Zülpicher Straße Richtung WebWorld. Shahin ist fast durch mit seinem Vermessungsbuch und blubbert eine entspannte Apfel-Wasserpfeife, zumindest riecht es so.
    »Tschuldigung, Shahin. Ich ... bin 'n bisschen spät heute, kam was dazwischen!«
    »Kein Thema, Simon. Du kommst, wann du willst. Sonst alles gut?«
    »Ich hab gerade eine Wohnung gesehen für 2145 Euro Miete.«
    »Und? Nimmste?«
    Ich starre Shahin an.
    »Weißte was, schalt mir einfach die Sieben frei.«
    Nachdem ich mich bei spiegel.de vergewissert habe, dass nichts passiert ist, google ich die EU-Bionorm und erfahre, dass Produkte nach EU-Bio-Verordnung gar nicht mal sooo toll sind. Viel strenger von den Bioauflagen her ist zum Beispiel der demeter-Verband, da müssen die Biobauern ihre Felder mit dem Mist der eigenen Tiere düngen. Klasse. Nach der Logik kann man ja auch in seine Stammkneipe pissen und darf dann »Bio« übern Eingang schreiben.
    Ich melde mich bei gmx an und checke meinen Posteingang. Sony Ericsson und die KVB bestätigen den Eingang meiner Mails und Daniel, dieser Idiot, empfiehlt schon wieder eine gefälschte Uhr. Phil hat mir einen Link zu einer Zeitungsmeldung geschickt, wonach jemand vor Gericht eine Mietminderung von fünfzig Prozent durchgekriegt hat, weil Hartz-IV-Empfänger im Haus ein- und ausgehen und so den Wert des Objekts mindern. Sehr gefühlvoll, vielen Dank, Phil. Den Rest meines Arbeitsvormittages verbringe ich bei nachtruhe.info und im Forum von glockenlärm.de, wo ich neue Argumente gegen Pfarrer Westhoff sammle. Ein Glockenlärm-User meint, dass Glockenläuten gegen die Bibel verstoße, weil die ja sagt, dass man seinen Nächsten lieben soll. Wenn dieser Nächste aber sagt, dass er keine Glocken hören mag und man sie trotzdem läutet . ?! Interessant finde ich auch einen Beitrag darüber, wie ein türkischer Kulturverein in Berlin-Kreuzberg ein Minarett auf das Dach seines Versammlungslokals setzen wollte und einen Riesenstreit über Religionsfreiheit entfacht hat.
    »Sag mal Shahin«, rufe ich, »du bist doch Moslem oder?«
    »Wieso?«
    Ich erhebe mich vom Stuhl und gehe zum Tresen.
    »Kannst du auch Arabisch?«
    »Arabisch? Ich bin aus dem Iran. Wir sprechen Persisch da.«
    Ups. Fettnäpfchen. »Das weiß ich natürlich. Deswegen frage ich ja, ob du Arabisch kannst!«
    »Nicht sehr gut. Mein Deutsch ist besser.« »Würdest du mir trotzdem was übersetzen mit deinem Arabisch?« »Was denn?«
    Eine halbe Stunde später verlasse ich noch immer lachend die WebWorld. Auch Shahin hat noch Tränen in den Augen, als er mir durch die Scheibe vom Tresen winkt. Leider hält diese Stimmung nicht wirklich lange an .
    KALENDER BOY
    Trauriger Höhepunkt meines eben noch so erfreulichen Dienstages ist der Besuch bei der Deutschen Bank, wo ich nur deswegen Kunde bin, weil mir die Bankmenschen zur Kommunion ein
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