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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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Menschen, die zur Brotzeit Fitnesskäse aßen. Im Hintergrund sah man Kletterfelsen, Surfbretter, Mountainbikes, Kanus, Snowboards oder Inline-Skates und stets die Berge des Allgäus.
    Besonders ins Auge stach Kluftinger ein Poster mit einer südländisch aussehenden Surferin im knappen Bikini, die ein Käsebrot aß. »Priml«, sagte er halblaut, eine bei Kluftinger übliche Verballhornung des Wortes »prima«, das seiner Meinung nach den ironischen Sinn der Vokabel noch besser hervortreten ließ. »Früher hat man mit Kühen und Älplern für Käse geworben, und jetzt mit nackerte Weiber. Na dann Mahlzeit …«
    Kluftinger fiel noch auf, dass die modernen Werbeplakate nicht recht zum etwas abgestandenen Siebzigerjahre-Charme des mit dunkelgrünem Teppich und orangebraunen Fliesen gestalteten Treppenhauses passten. Dann klopfte er an die Tür des Seniorchefs.
    Dort fand Kluftinger das, was das Treppenhaus versprach. An einem großen, ehrwürdigen Eiche-Rustikal-Chefschreibtisch saß ein Mann Mitte sechzig, also etwa zehn Jahre älter als Kluftinger selbst, klein, mit einer dicken Hornbrille, hinter der helle, wache und sympathische Augen hervorblinzelten. Er trug einen hellgrauen, etwas zu großen Anzug, der ihn noch kleiner erscheinen ließ. Der Mann liebt seinen Käse wirklich, dachte Kluftinger: Hinter ihm waren auf einer Theke an der Wand Käseschachteln ausgestellt, allerdings solche der »klassischen« Produkte der Käserei, nicht für die »Lean-Line«, die die Plakate im Treppenhaus bewarben. Camembertschachteln standen einträchtig neben einem Emmentalerlaib aus Kunststoff und einer natürlich leeren Romadurverpackung. Hier war die Käsewelt noch in Ordnung.
    »Karl Schönmanger, guten Tag«, sagte der Mann und lächelte freundlich.
    Kluftinger nahm mit ihm in der schwarzen Ledergarnitur Platz, lehnte ein Kaffeeangebot dankend ab und begann das Gespräch, nachdem der Chef seiner offenbar aufrichtig gemeinten Bestürzung über das Geschehene Ausdruck verliehen hatte.
    »Was können Sie über Herrn Wachter sagen, wie war er bei der Arbeit?«
    »Wissen Sie«, begann Schönmanger in ruhigem Ton zu erzählen, »Philip Wachter war in professioneller Hinsicht absolut vorbildlich und integer. Er war Leiter unserer Entwicklungsabteilung. Ich meine, was er privat machte, seine Frauengeschichten, das geht mich nichts an, hier im Betrieb war er ein Mitarbeiter, wie man ihn sich nur wünschen kann.«
    Kluftinger registrierte, dass Schönmanger der Zweite innerhalb weniger Stunden war, der Wachters angebliche Frauengeschichten erwähnte.
    »Er war so etwas wie unser Star im Labor. Wachter ist, pardon, Wachter war fleißig, absolut genau und korrekt und er war, nun, er war eine Führungspersönlichkeit, was früher oder später auch alle akzeptierten. Ein Mann mit einem solchen fachlichen Können, das ist ein Glücksfall für einen mittelständischen Betrieb wie wir es sind, wissen Sie.«
    »Woran arbeitete Wachter denn gerade in Ihrer Entwicklungsabteilung?«, fragte Kluftinger.
    »Er hat es geschafft, unsere Light-Produkte nochmals im Fettgehalt zu senken, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen. Er war Weltspitze auf diesem Gebiet. Am Anfang war ich selbst nicht so sehr für diese fettarmen Produkte, aber sie schmecken wirklich gut und sind ja auch gesund. Nicht, dass Sie jetzt denken das sei Käse, der vollgestopft ist mit Chemie. Es ist ein besonderes Herstellungsverfahren, das Wachter entwickelt hat.
    Zwei neue Geschmacksrichtungen der ultraleichten Weichkäselinie stehen kurz vor der Markteinführung: grüner Spargel und Ruccola. Ich sage Ihnen ganz offen, ohne Wachter und seine Ideen wäre unser Betrieb jetzt nicht da, wo er ist. Nach Ansicht meines Sohnes wären wir sogar schon bankrott … Wissen Sie, mein Sohn macht bei uns das Marketing, und das macht er zwar auf moderne Art, aber die Zahlen, die in unseren Büchern stehen, geben ihm Recht.«
    »Wachter war also mit für Ihren momentanen Erfolg und das Florieren der Firma verantwortlich?«, hakte Kluftinger nach.
    »Absolut. Er wusste das, wir wussten das. Und offen gestanden, wir ließen uns Wachter auch etwas kosten. Er hatte mit Abstand das beste Gehalt hier. Star-Lebensmittelchemiker bekommt man eben nicht umsonst.«
    »Herr Schönmanger, verstehen Sie mich nicht falsch,« Kluftinger wand sich etwas bei dieser Frage, »wenn Wachter so exzellent auf seinem Gebiet war, hätte er nicht, ich meine, hätte er nicht auch woanders, ich meine, in einem noch
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