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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Autoren: Marc Spitz
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passionierte Cineasten geben – so in der Art könne das aussehen.
    1966, also noch ein paar Jahre davor, hatte Mick angesichts des Altwerdens einige Sorgen: »Mir graut [vor dem Alter]. Es gibt nur wenige alte Menschen, die glücklich sind. Wenn sie aufhören, über die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken und nur noch in der Vergangenheit leben, werden sie schrecklich langweilig. Ich möchte nicht, dass irgendwelche alten weiblichen Fans zu mir sagen: ›Wie alt schätzt du mich? Achtundvierzig? Nein, ich bin achtundsiebzig. Und ich sehe mir alle Popsendungen an und habe all deine Platten.‹ Ich glaube, dann wird es höchste Zeit, erwachsen zu werden.«
    Die Frage sollte man also eigentlich gar nicht an Mick richten. Denn wir, seine Fans und Zuschauer, sind unserer Meinung in dieser Frage immer treu geblieben. Warum nur haben wir diesen Kerl nicht alt werden lassen? Hat das etwas mit Rassismus zu tun, wie einige meinen? Weil wir es einfach nicht gewohnt sind, weiße Rockstars noch mit siebzig auf der Bühne stehen zu sehen? (Chuck Berry trat am Neujahrstag 2011 noch mit vierundachtzig auf.) Warum können wir uns nicht einfach mit den alten Stones abfinden, die wir ja sowieso wie eh und je verehren? Wir hatten weiß Gott genug Zeit, uns darauf vorzubereiten, dass dieser Kerl siebzig wird. Mick Jagger ist so alt, dass die Stones auf ihrer 81er-Tour bereits einen Blick zurück auf ihre schon damals lang zurückliegenden Anfänge in den Sixties warfen (während sie »Time Is on My Side« spielten, zeigten die Videoleinwände Fotos der jungendlichen Bandmitglieder und Ausschnitte aus frühen Stones-Auftritten). So alt, das der Esquire 1993 titelte »Have You Seen Your Grandfather, Baby« (eine Anspielung auf den Stones-Hit »Have You Seen Your Mother, Baby, Standing in the Shadow?«). Die Stones sind so alt, dass Stephen Davis 2001 ein Buch über sie schrieb, dem er den Titel gab Old Gods, Almost Dead (auf Deutsch erschienen unter dem Titel Die Stones ). So alt, dass sie Motörhead zu ihrer witzigsten Textzeile inspirierten: »Blackhearted to the bone. Older than the Rolling Stones« (aus »I’m So Bad [Baby I Don’t Care]«).
    Und wie geht es weiter, wenn sie siebzig sind? Falls diese angeblich anstehende Welttournee zum fünfzigjährigen Bandjubiläum als Abschiedstournee vermarktet werden sollte, werden wir von Mick und Keith mit vierundachtzig dann immer noch etwas haben so wie heute von Chuck Berry? In einem Artikel über die zunehmende Vitalität der Siebzigjährigen, der im Juli 2010 in der New York Times zu lesen war, wurde Mick als einziger von den auf die siebzig zugehenden Rockstars herausgepickt, und es wurde über die möglichen Auswirkungen des Alters auf seine Performance spekuliert. »Wird er mit fünfundsiebzig wirklich immer noch so beweglich sein?«, wurde in dem Artikel gefragt. (Bob Dylan, da war sich der Autor sicher, würde alt und erhaben sein und mit fünfundsiebzig immer noch touren.)
    Anders als Brian Jones, Jimi Hendrix, James Morrison, Janis Joplin und John Lennon, sind Mick Jagger, Keith Richards, Paul McCartney und Bob Dylan Idole der Sixties, die nicht für immer jung bleiben, sondern alt werden und Falten bekommen. Allerdings sah man von Letztgenannten nur in Mick Jagger die Personifizierung der sexuellen Befreiung. Und er verstand es auch die Sitten der älteren Semester des Londoner Bürgertums in den 60er-Jahren treffend zu parodieren (»What a drag it is getting old …«). Als er noch ein junger Mann war, wurde schon allein sein äußeres Erscheinungsbild als revolutionär wahrgenommen: Er wurde weder als sehr maskulin noch als sehr feminin empfunden, er galt weder als attraktiv noch als hässlich. Dies notierte der britische Künstler Cecil Beaton in einem seiner Tagebücher aus den 60er-Jahren, die inzwischen veröffentlicht worden sind. Alle, die damals ihren Blick auf ihn richteten, sahen lauter Möglichkeiten; heute sehen sie Vergänglichkeit.
    »Er war damals ein attraktiver Junge«, sagt Keith Altham, der die Stones 1966 zum ersten Mal interviewte. »Inzwischen sieht er aus wie ein Wasserspeier, der sich glänzend an den Außenmauern von Notre-Dame machen würde.« Das hilft Mick allerdings nicht, das Brenda-Problem zu lösen, das er nicht wahrhaben möchte. Auf jeden Fall hat sich Mick Jagger mit seinem »Lieber tot als mit fünfundvierzig noch ›Satisfaction‹ singen«-Statement keinen Gefallen getan – ein kurzer Satz mit einem ungeheuer langen Nachhall. Und wie
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