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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
Autoren: Thomas A. Barron
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zu fassen wie ein Mondstrahl. Und das eine Glyn-Mater, die nur einmal alle sechshundert
     Jahre Nahrung zu sich nahm – und dann nur die Blätter der Wickelranke. Einige Geschöpfe, die Cairpré fremd waren, kannte Rhia,
     das Mädchen im Blättergewand, von ihren Jahren im Drumawald. Doch manche konnten weder Cairpré noch Rhia erkennen.
    Das war nicht überraschend. Kein Lebewesen außer vielleicht der großen Elusa hatte je all die verschiedenen Bewohner von Fincayra
     gesehen. Bald nach dem Tanz der Riesen, der den niederträchtigen König Stangmar gestürzt und sein verhülltes Schloss zerstört
     hatte, war von vielen Seiten der Ruf nach der Zusammenkunft eines großen Rats gekommen. Zum ersten Mal seit Menschengedenken
     waren alle sterblichen Einwohner von Fincayra, ob Vogel oder Säugetier oder Insekt oder etwas ganz anderes, eingeladen ihre
     Vertreter zu einer Versammlung zu schicken.
    Fast alle waren dem Ruf gefolgt. Zu den wenigen, die fehlten, gehörten die Kriegergoblins und Wechselgeister, die sich nach
     der Niederlage Stangmars in den Höhlen der dunklen Hügel versteckten; die Bäumlinge, die vor langer Zeit aus dem Land verschwunden
     waren, und die Meermenschen, die in den Gewässern rund um Fincayra wohnten; man hatte sie nicht rechtzeitig gefunden, um sie
     einzuladen.
    Cairpré musterte die Menge und stellte fest, dass die großen Cañonadler, eine der ältesten Arten auf Fincayra, ebenfalls fehlten.
     Zu alten Zeiten hatte der aufrüttelnde Ruf des Cañonadlers stets den Beginn eines großen Rats angezeigt. Doch diesmal nicht,
     weil Stangmars Soldaten die stolzen Vögel bis zur Ausrottung gejagt hatten. Dieser Ruf, schloss Cairpré, würde nie wieder
     zwischen den Hügeln des Landes widerhallen.
    Dann sah Merlin eine bleiche, knollige Alte ohne Haare auf dem Kopf und ohne Güte in den Augen. Er schauderte, als er sie
     erkannte. Obwohl sie im Lauf der Jahrhunderte viele Namen angenommen hatte, wurde sie meist Domnu genannt, und das bedeutete
     dunkles Geschick. Kaum hatte er sie gesehen, verschwand sie in der Menge. Er wusste, dass sie ihm aus dem Weg ging. Er wusste
     auch, warum.
    Plötzlich erschütterte den Hügel ein starkes Poltern und übertönte den Lärm der Versammlung. Einer der stehenden Steine wankte
     gefährlich. Das Poltern wurde lauter und ließ den Stein zur Erde stürzen, wobei er fast die Hirschkuh und ihr Kitz zerschmettert
     hätte. Merlin und Rhia schauten einander an – nicht ängstlich, sondern verständnisvoll. Sie hatten schon zuvor die Schritte
     der Riesen gehört.
    Zwei gewaltige Gestalten, jede so groß wie das Schloss, das einst auf diesem Fleck gestanden hatte, näherten sich dem Kreis.
     Von fern aus den Bergen waren sie gekommen, hatten den Wiederaufbau ihrer angestammten Stadt Varigal verlassen, um dem großen
     Rat anzugehören. Merlin drehte sich um, er hoffte seinen Freund Shim zu sehen. Doch Shim war nicht unter den Neuankömmlingen.
     Der Junge seufzte und sagte sich, dass Shim wahrscheinlich sowieso während der Beratung eingeschlafen wäre.
    Als Erste kam eine Riesin mit wilder Mähne, leuchtend grünen Augen und schiefem Mund, bückte sich brummend und hob den umgestürzten
     Stein auf. Obwohl zwanzig Pferde ihn nur mit Mühe von der Stelle bewegt hätten, stellte sie ihn ohne die geringste Anstrengung
     an seinen Platz. Inzwischen legte ihr Gefährte, ein Mann mit frischer Gesichtsfarbe und Armen so dick wie Eichenstämme, die
     Hände an die Hüften und betrachtete die Szene. Nach einem langen Augenblick nickte er ihr zu.
    Sie nickte zurück. Dann streckte sie mit einem weiteren Brummen beide Hände in die Luft und schien die ziehenden Wolken fassen
     zu wollen. Als Cairpré das sah, hob er überrascht die buschigen Augenbrauen.
    Hoch oben am Himmel erschien ein winziger schwarzer Punkt. Er schraubte sich aus den Wolken, als wäre er in einem unsichtbaren
     Strudel gefangen. Immer tiefer kam er, bis die Augen aller Geschöpfe im Kreis auf ihn gerichtet waren. Wieder legte sich Stille
     über die Versammlung. Selbst die unbezähmbaren Wassernymphen waren ruhig.
    Im Sinken wurde der Punkt größer. Bald waren kräftige Flügel zu erkennen, ein breiter Schwanz, dann glänzte das Sonnenlicht
     auf einem krummen Schnabel. Ein plötzlicherSchrei zerriss die Stille und hallte von einem Berg zum anderen, bis das Land selbst den Ruf zu beantworten schien. Den Ruf
     eines Cañonadlers.
    Die mächtigen Schwingen breiteten sich aus und streckten sich wie
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