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Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt

Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt

Titel: Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
Autoren: Joe Navarro
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Hand- oder Fußbewegung des Gegenübers, die seine Gedanken oder Absichten offenbart.
    Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien hat gezeigt, dass Menschen ihre Umwelt nur sehr unzureichend beobachten. Im Rahmen eines Experiments ließ man beispielsweise einen als Gorilla verkleideten Mann durch eine Gruppe von Studenten laufen, während diese mit etwas anderem beschäftigt waren, und es zeigte sich, dass die Hälfte der Studenten den Gorilla nicht einmal wahrnahm (Simons & Chabris, 1999, 1059-1074)!
    Menschen mit einer schlechten Beobachtungsgabe mangelt es gemeinhin an dem, was Flugzeugpiloten »situative Aufmerksamkeit« nennen - also dem sicheren Gespür für räumliche und zeitliche Gegebenheiten. Menschen, die situativ unaufmerksam sind, machen sich also kein detailliertes Bild davon, was um sie herum (oder sogar direkt vor ihrer Nase) geschieht. Bitten Sie so jemanden einmal, in einen fremden Raum voller Menschen zu gehen, geben Sie ihm die Gelegenheit, sich umzusehen, und fordern Sie ihn dann dazu auf, die Augen zu schließen und zu berichten, was er gesehen hat. Sie werden erstaunt sein, dass er sich nicht einmal an die auffälligsten Merkmale des Raums erinnern kann.
    Ich finde es bedauerlich, wie oft man jemandem begegnet beziehungsweise über jemanden liest, der scheinbar aus heiterem Himmel von einem schweren Schicksalsschlag getroffen wurde. Interessanterweise hört man diese Menschen fast immer die gleichen Sätze sagen:
    »Meine Frau hat gerade die Scheidung eingereicht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlecht um unsere Ehe stand.«
    »Der Beratungslehrer hat mir offenbart, dass mein Sohn schon seit drei Jahren Marihuana konsumiert. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass er ein Drogenproblem hat.« »Ich hatte mit diesem Kerl eine Meinungsverschiedenheit, als er mir aus heiterem Himmel einen Schlag verpasste. Ich habe das wirklich nicht kommen sehen.«
    »Ich dachte, mein Chef wäre mit meiner Leistung ganz zufrieden. Die Entlassung traf mich völlig unvorbereitet.«
    So oder so ähnlich klingen in der Regel die Aussagen von Männern und Frauen, die nie gelernt haben, die Welt um sich herum genau zu beobachten. Dabei sind solche Defizite eigentlich überhaupt nicht verwunderlich. Schließlich bringt uns in unserer Kindheit und Jugend niemand bei, die nonverbalen Ausdrucksformen unserer Mitmenschen zu analysieren. Weder in der Schule noch in der Hochschule gibt es das Fach »Situative Aufmerksamkeit«. Mit etwas Glück schafft man es, sich selbst beizubringen, wie man mit offenen Augen durch die Welt geht. Wenn nicht, entgehen einem unglaublich viele nützliche Informationen, die dabei helfen können, Probleme zu vermeiden und ein erfüllteres Leben zu führen, ganz gleich, ob es um die Partnerwahl, den Beruf oder den Familienalltag geht.
    Zum Glück aber lässt sich die Beobachtungsgabe trainieren. Wir müssen also keineswegs weiterhin unbedarft und unvorbereitet durchs Leben gehen. Mit der richtigen Art von Schulung und Übung werden Sie stetig besser. Aber bitte verzweifeln Sie nicht gleich, wenn Sie in dieser Hinsicht kein Naturtalent sind. Mit etwas Zeit und Mühe werden Sie lernen, Ihre Fähigkeiten zu entwickeln und Ihre Umwelt mit allen Details in sich aufzusaugen.
    Es ist daher wichtig, dass Sie das Beobachten - und wir sprechen hier von einem planvollen Beobachten - zu einer geistigen Grundhaltung machen. Sich der Welt bewusst zu werden, von der man umgeben wird, ist kein passiver Akt. Es ist ein willentliches, vorsätzliches Verhalten - etwas, das man nur mit Mühe, Energie und Konzentration erreichen kann und das ständiger Übung bedarf. Die Fähigkeit, genau zu beobachten, ist wie ein Muskel. Bei intensivem Gebrauch wird sie immer stärker, aber sie verkümmert, wenn man sie nicht nutzt. Trainieren Sie also Ihren »Beobachtungsmuskel« und Sie werden Ihre Umgebung immer besser dekodieren können.
    Wenn ich übrigens von planvollem Beobachten spreche, bitte ich Sie darum, all Ihre Sinne zu nutzen, nicht nur Ihr Sehvermögen. Immer wenn ich meine Wohnung betrete, atme ich tief ein. Wenn es dort nicht »normal« riecht, werde ich argwöhnisch. Als ich einmal von einer Reise nach Hause zurückkehrte, bemerkte ich einen leichten Anflug von Zigarettenrauch. Noch bevor ich mich gründlich umsehen konnte, hatte mich meine Nase bereits auf eine mögliche Gefahr aufmerksam gemacht. Es stellte sich heraus, dass sich der Hausmeister Zugang zu meiner Wohnung verschafft hatte, um ein undichtes
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