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Mensch, Martha!: Kriminalroman

Mensch, Martha!: Kriminalroman

Titel: Mensch, Martha!: Kriminalroman
Autoren: Eva Klöck
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Sie weiß, dass Martha so klug sein würde.
    »Dich wird es ja vielleicht
gar nicht mal so sehr erschüttern. Du bist durch deinen Job ja so
einiges gewohnt.«
    »Einiges, ja.«
    Barbara hält kurz die Luft an.
»Er hat mich vergewaltigt.«
    Vor zwanzig Jahren war Martha
mit voller Wucht gegen eine Glastüre gerannt, die sie einfach nicht
gesehen hatte. Sie hatte einen irrsinnigen Schlag im Gesicht gespürt
und erst einmal überhaupt nicht begriffen, was passiert war.
    Martha hat einen flashback .
Genau diese Szene fällt ihr in der Sekunde ein, in der ihre
Schwester den Satz ausspricht Er hat mich vergewaltigt.
    Was hat Barbara davor gesagt?
Martha sei einiges gewohnt . Leitet sich dieses Wort
eigentlich von wohnen ab? Frauen erzählen von Vergewaltigung,
müssen Einzelheiten preisgeben, Details möglichst genau schildern,
Worte für Schweinereien finden. Und Barbara denkt, Martha würde da wohnen ?
    Heute geht es um keine Frau,
von der Martha erst die Personalien erfragen muss. Heute ist es
ihre kleine Schwester. Martha sitzt nicht im Dienstzimmer hinter dem
Schreibtisch, sondern im Zimmer der kleinen Schwester. Ein Zimmer mit
Elefantensammlung im Regal und einem alten Puppenwagen, in dem
abgewetzte Stofftiere ein Gnadendasein führen.
    Martha sagt kein Wort, obwohl
ihr tausend Fragen durch den Kopf schießen. Sie hält sie zurück;
hier ist sie nicht Polizistin, sondern Schwester.
    Barbara scheint verunsichert
durch Marthas Schweigen.
    »Du glaubst mir nicht?«
    »Doch, doch, natürlich. Warum
solltest du sonst so etwas sagen?«
    »Eben.«
    Martha verflucht ihre
Nikotinsucht. Ihr Mund ist trocken, wie immer, wenn sie sehr
angespannt ist. Sie hat schon versucht, mit Kaugummi dagegen
anzugehen, aber wirklich gut hilft nur ein tiefer Zug aus der
Zigarette.
    »Ich muss mir schnell noch
eine Zigarette holen!« Sie hat die Schachtel in ihrem Zimmer
gelassen. Das ist so ein Trick, den sie im Nichtraucherkurs gelernt
hatte. Ein Trick, der nicht funktioniert.
    Barbara wartet, lässt Martha
die Zigarette anrauchen, bevor sie zu erzählen beginnt.
    »Wir waren in einem kleinen
Hotel in Yogyakarta. Die Betten waren nicht frisch bezogen
gewesen ...« Barbara verzieht angewidert das
Gesicht. »Sie haben furchtbar gemuffelt und mich hat es ganz schön
gegraust. Wir hatten zwar eigene Bettlaken dabei, aber trotzdem.«
Sie schüttelt sich.
    »Rainer wollte mit mir
schlafen, aber ich konnte nicht. In so dreckigen Betten ...
also nein. Verstehst du das?«
    Martha nickt.
    »Gell, du hättest das auch
nicht gekonnt – in so einem versifften Bett!?«
    Martha fragt sich, ob Barbara
sich vergewissern will, dass sie ein Recht dazu gehabt hatte, Rainer
zurückzuweisen.
    »Jedenfalls hatte ich ihm das
gesagt. In einem stinkenden Bett steht mir nicht der Sinn nach
Erotik. Und es war okay. Zunächst.«
    Martha verflucht den verdammten
Nichtraucherkurs. Während sie ihre Zigarette ausdrückt und in den
Nachthimmel schnippt, denkt sie bereits an die nächste. Und die
Zigarettenschachtel liegt weiterhin in ihrem Zimmer.
    »Wir kamen vom Abendessen
zurück und hatten ganz schön Bier getrunken. Wir lachten und
blödelten ...« Barbara schluckt. Ihre Augen füllen sich. »Ich
stand ahnungslos am Waschbecken und putzte mir die Zähne und
dann ...«
    Martha springt von der
Fensterbank und setzt sich zu Barbara ans Bett. Sie versucht, den
Gedanken an eine Zigarette auszuknipsen.
    Es dauert lange, ehe Barbara
weiterredet. Sie muss Tränen in Schach halten.
    »Als ich mein Gurgelwasser
ausspuckte und Rainers Gesicht in diesem Spiegel sah, wusste ich, was
passieren würde.« Ihre Stimme ist plötzlich ganz dünn.
    »Er zog den Gürtel aus seiner
Jeans und schubste mich rücklings aufs Bett. Er hielt meine Hände
fest und zog mir den Gürtel als Schlaufe über die Handgelenke ...
Verstehst du, was ich meine?«
    Martha versteht, aber sie kann
es nicht fassen. Ihr Gehirn weigert sich, entsprechende Bilder
entstehen zu lassen.
    »Es war so ein Bett mit
Metallgestell. Er zog den Gürtel durch die Querstäbe am Kopfende
und zwang so meine Arme nach oben ... Ich zerrte, und so zog sich der
Gürtel an den Handgelenken zu. Mit der Hand, mit der er den Gürtel
festhielt, hielt er mir auch den Mund zu.«
    Barbaras Augen laufen über.
    »Er riss mir die Perlenkette
ab, die du mir zur Meisterprüfung geschenkt hast. Die lasse ich
nicht neu fädeln. Ich mag sie nie mehr tragen.«
    Martha spürt, dass Barbara am
Ende ihrer Geschichte angekommen ist. Sie nimmt ihre
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