Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Autoren: Marlies Lüer
Vom Netzwerk:
Blütenblättchen von Ringelblumen. Drei blaue Borretschblüten verzierten die Quarkspeise. Ich wusste, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, in Robert zu dringen. Darum wechselte ich das Thema.
    „ Ich habe eine neue Dyskalkulietherapiemöglichkeit für Miri gefunden und …“
    „ Oh nein, nicht schon wieder! Jetzt lass das Kind doch endlich in Ruhe damit.“
    „ Aber was soll denn aus ihr werden, wenn sie nicht richtig lernt zu rechnen?“ Ich begann, die fertigen Zucchini auf unsere Teller zu verteilen. „Du auch, Hannah?“ Sie verneinte.
    Robert stopfte sich das Gemüse in den Mund und kaute energisch.
    „ Ich bin eben der Meinung, sie hat genügend Fortschritte gemacht. Es ist doch wirklich besser als früher, und wir wissen doch, dass sie nie wie andere sein wird. Finde dich doch endlich damit ab.“
    „ Ich denke ja gar nicht daran!“ Mit mehr Kraft als nötig piekte ich mit der Gabel in eine etwas zu dunkel geratene Zucchinischeibe. „Das muss sie uns doch wert sein, dass wir weiterhin für sie kämpfen.“
    Robert zerriss mit mehr Kraftaufwand als nötig sein Fladenbrot in kleine Stücke.
    „ Du siehst doch, was diese Rennerei von einem Therapeuten zum anderen aus ihr gemacht hat. Der Höhepunkt war ja wohl dieser bescheuerte Geistheiler mit seinem Tamtam.“
    „ Wie darf ich das verstehen? Gibst du etwa mir die Schuld an ihrem Verhalten? Soll das heißen, ich habe sie zu dem gemacht, was sie heute ist?“
    Ich mochte es nicht, wenn meine Stimme so schrill wurde. Aber mein unglückseliges Temperament gewann hin und wieder die Oberhand. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Hannah sich ihren Teller füllte und wortlos die Küche verließ. Aber ich war zu abgelenkt von Roberts Vorwürfen, um darüber nachzudenken. Wir stritten noch eine Weile weiter. Das letzte Stück auf dem Tischgrill verkohlte.
     
    Als die Abenddämmerung die Hitze des Tages schluckte und auch meine Wut am Abklingen war, ging ich zu meinem Kräuterbeet hinter dem Haus. Wie immer fand ich Trost in der Gartenarbeit. Das Hacken der Erde beruhigte mich, brachte mich in die heutzutage so vielbeschworene „Mitte“ zurück. Mit einem Hauch Bitterkeit resümierte ich, dass der ganze Garten seit mindestens einem Jahr so blitzblank unkrautfrei war wie nie zuvor. Robert hatte sich ins Büro zurückgezogen und saß über der Buchhaltung. Wir hatten vor drei Monaten unsere Bürohalbtagskraft entlassen müssen. Die Geschäfte liefen nicht gut. Jetzt hatten wir nur noch den Gesellen und hin und wieder einen Zeitarbeiter, wenn ein größerer Auftrag anstand. Das Anziehen von Kräutern und einigen ausgewählten Blumensorten für die Firma war meine Domäne, auch das Anbieten von Kursen. Zusätzlich zu meiner eigenen Arbeit als Illustratorin für Kinderbücher bot ich noch als freie Volkshochschuldozentin Kurse an, wie: „Oh du herrliche Wurzelkraft“ (den peinlichen Namen hatte ich nicht selber ausgedacht!) oder „Räuchern zur Wintersonnenwende“, „Herbstkranzflechten“, „Kräuterhexen sieden ihre Seifen“. So kam immer wieder mal Extra-Geld in die Kasse.
    Ich hielt mit dem Hacken inne, als ich eine leise Stimme murmeln hörte. Miranda war am Kaninchenstall und kümmerte sich liebevoll um eines ihrer Tiere in Not. Wo sie die verletzten oder kranken Wildtiere aufsammelte, wusste ich nicht. Wir hatten fast immer kleine Patienten mit Fell oder Federn bei uns. Vielleicht fanden die Tiere auch Miranda, und nicht sie die Tiere? Das Mädchen hatte eine bemerkenswerte Geduld und Gabe, mit Tieren umzugehen. Ich beobachtete sie unauffällig. Mein Herz lief über vor Sehnsucht. Wo war meine kleine Miri geblieben, das Kind, das so schön lachen konnte und die ganze Welt umarmen wollte? Ich bekämpfte den Impuls, zu ihr zu gehen und sie an mich zu drücken. Ich hatte Angst, sie würde es als aufdringlich empfinden. Wann hatten wir uns das letzte Mal umarmt? Als ich mich entschloss, doch zum Stall zu gehen und die Hacke am Zaun abstellte, merkte ich, sie war längst im Haus verschwunden.
    Meine Sehnsucht nach Nähe verschwand nicht.
     
Die Zerreißprobe beginnt
     
    Das Handy klingelte, als er in den Kreisel einfuhr. „Gartenbaufirma Lavandula, Robert Winter am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“
    „ Sekretariat der Förderschule, Frau Brüderle am Apparat. Die Frau Rektorin möchte Sie sprechen, es geht um Miranda.“
    Robert fühlte wie sein Herzschlag sich beschleunigte. „Ist ihr etwas zugestoßen?“
    „ Nein, das nicht. Miranda
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher