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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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keinerlei Zorn mehr zu wecken.
    Der Statthalter sagte gedämpft:
    – Mein eigener ist mir bekannt. Stell dich nicht dümmer an, als du bist. Dein Name.
    – Jeschua –, beeilte sich der Gefangene.
    – Und wie noch geheißen?
    – Ha-Nozri.
    – Und du stammst woher?
    – Aus der Stadt Gamala –, sagte der Häftling. Und ein Nicken seines Kopfes deutete an: Dort, fern, auf der rechten nördlichen Seite gibt es auch wirklich eine Stadt Gamala.
    – Wer bist du dem Blut nach?

    – Ich weiß nicht genau –, erwiderte rasch der Gefangene. – Ich habe keine Erinnerung an meine Eltern. Mir wurde erzählt, mein Vater sei Syrer gewesen …
    – Wo ist dein fester Wohnsitz?
    – Ich habe keinen festen Wohnsitz –, sagte der Häftling verlegen, – ich ziehe von Stadt zu Stadt.
    – Das lässt sich treffender formulieren. Mit anderen Worten: ein Landstreicher –, sprach der Statthalter und fragte: – Verwandte?
    – Keine. Ich bin allein in der Welt.
    – Kannst du lesen und schreiben?
    – Kann ich.
    – Und beherrschst noch eine weitere Sprache, außer Aramäisch?
    – Ja. Griechisch.
    Schon hob sich das geschwollene Lid, die vom Schleier des Leids verhüllte Pupille starrte den Häftling an. Die andere blieb bedeckt.
    Pilatus begann auf Griechisch:
    – Dann hast du also vorgehabt, das Tempelgebäude zu zerstören, und das Volk dazu angestiftet?
    Jetzt gewann der Gefangene seine Lebhaftigkeit zurück, der Blick wirkte nicht mehr eingeschüchtert. Auf Griechisch antwortete er:
    – Nein, guter … –, ein jäher Schrecken durchfuhr die Augen des Häftlings, hatte er sich doch beinahe versprochen. – Nein, Hegemon, in meinem gesamten Leben habe ich niemals daran gedacht, das Tempelgebäude zu zerstören oder jemanden zu dieser sinnlosen Tat anzuregen.
    Verwunderung zeigte sich im Gesicht des Sekretärs, der am niedrigen Tisch gekrümmt saß und die Aussagen mitschrieb. Er hob den Kopf, beugte ihn aber sogleich wieder über das Pergament.
    – Zum Feiertag strömen in dieser Stadt ganze Horden unterschiedlichsten Volks zusammen. Darunter sind Magier, Astrologen, Wahrsager und Meuchelmörder –, sprach der Statthalter monoton, – manchmal auch Lügner. Du, zum Beispiel. Hier steht es doch schwarz auf weiß: Hetzte das Volk auf, den Tempel zu zerstören. So bezeugen’s die Menschen.
    – Diese guten Menschen –, sagte der Gefangene, fügte eilig hinzu: – Hegemon –, und redete weiter: – sind ungebildet und bringen meine Worte ganz durcheinander. Überhaupt befürchte ich immer mehr, dass diese Wirrnis noch lange Zeit anhalten wird. Und alles nur, weil er das, was ich sage, falsch aufschreibt.
    Ein Schweigen trat ein. Jetzt blickten beide kranken Pupillen mühsam den Häftling an.
    – Ich wiederhole, und zwar zum letzten Mal: Hör auf, dich verrückt zu stellen, Halunke –, sagte Pilatus eintönig weich, – von dem, was du sagst, ist nicht viel aufgeschrieben worden, doch dies wenige reicht aus, um dich an den Galgen zu bringen.
    – Nein, nein, Hegemon –, ereiferte sich der Häftling in der Absicht, wirklich zu überzeugen, – es geht einer umher mit einem Stück Ziegenpergament und schreibt und schreibt unaufhörlich. Aber einmal warf ich einen Blick in sein Pergament und bekam einen heftigen Schrecken. Denn nichts von dem, was darin geschrieben steht, hätte ich jemals gesagt. Ich flehte ihn an: Um Gottes willen, verbrenne dein Pergament! Doch er konnte es mir noch entreißen und eilte fort.
    – Er heißt wie? –, fragte Pilatus angeekelt und fasste mit der Hand an die Schläfe.
    – Levi Matthäus –, erklärte der Gefangene gern, – er war Steuereintreiber. Ich traf ihn zum ersten Mal an einem Weg in Bethphage, dort, wo der Feigengarten endet, und kam mit ihm ins Gespräch. Anfangs schien er abweisend, beleidigte mich sogar, glaubte jedenfalls, mich zu beleidigen, indem er mich einen Hund nannte –, hier musste der Häftling schmunzeln, – ich meinerseits sehe nichts Schlimmes an dem Tier, um mich von dem Wort gekränkt zu fühlen …

    Der Sekretär unterbrach das Schreiben und schaute voll heimlichen Staunens, nein, nicht den Häftling, vielmehr den Statthalter an.
    – … doch nachdem er mich angehört hatte, taute er langsam auf –, redete Jeschua weiter, – warf endlich das Geld auf den Weg und sagte, er würde mit mir ziehen …
    Pilatus lächelte schief mit einer Wange, legte seine gelben Zähne frei und sprach, mit dem ganzen Rumpf zum Sekretär gewandt:
    – Oh Jerschalajim! Was
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