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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)
Autoren: Wibke Bruhns
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Nicht immer kann Freisler verhindern, daß die Angeklagten sich eindeutig äußern. Hans-Bernd von Haeften, Vortragender Legationsrat im Auswärtigen Amt und Bruder von Stauffenbergs Adjutant Werner von Haeften, gelingt in derselben Verhandlung der Satz: »Nach der Auffassung, die ich von der weltgeschichtlichen Rolle des Führers habe, nämlich daß er ein großer Vollstrecker des Bösen ist …« Weiter kommt er nicht, Freisler brüllt dazwischen. Doch die Haeften-Worte sind zu Recht berühmt geworden.
    Im Urteil steht, alle Angeklagten hätten ihre Geständnisse vor Gericht bestätigt, »Hans Georg Klamroth wiederholte sie freilich erst, als er sah, daß seine Versuche, sie wegzudiskutieren, an inneren Widersprüchen scheiterten.« Was hat er versucht? Hat er das nächtliche Gespräch mit Bernhard in Berchtesgaden bagatellisiert, um sich und den Schwiegersohn zu entlasten? In den Filmaufnahmen vom Prozeß sehe ich beide in derselben Reihe sitzen, getrennt durch zwei wuchtige Polizeibeamte, sie müßten sich weit vorbeugen, wenn sie einander ansehen wollten. Hat es einen Blick der Gemeinsamkeit geben können auf dem Weg in den Gerichtssaal? Was haben sie gesagt? Das Protokoll der Verhandlung ist verschollen, die Filme sind unvollständig, Bernhard kommt gar nicht vor.
    HG, sehr abgemagert, sehr elend, wird von Freisler gefragt, ob er sich darüber im klaren sei, daß »nichts weiter tun Verrat sei«? HG denkt nach, senkt den Kopf, hebt ihn schließlich mit einer trotzig ablehnenden Gebärde. »Nein!« sagt er laut und deutlich und schüttelt den Kopf. Freislers Tiraden sind nicht zu verstehen, »abartig« schreit er mehrmals, »Versteckspiel« höre ich raus, »Volksgemeinschaft«. Das ist es. Roland Freisler übrigens ist am 3. Februar 1945 im Luftschutzkeller des Volksgerichtshofs von einem herabstürzenden Balken erschlagen worden – es geschieht ihm recht.
    Bernhard wird wegen der Sprengstoff-Beschaffung für schuldig befunden, HG, weil er Bernhard und die anderen nicht verriet. Neben Adam von Trott zu Solz und Hans-Bernd von Haeften sind an diesem Tag noch angeklagt Wolf-Heinrich Graf Helldorf, Polizeipräsident von Berlin, und Egbert Hayessen, Major im Stab des Allgemeines Heeresamtes im OKH. Allen zusammen gilt Freislers Urteil im Namen des Deutschen Volkes: »Eidbrüchige, ehrlose Ehrgeizlinge verrieten, statt mannhaft wie das ganze Volk, dem Führer folgend, den Sieg zu erkämpfen, so wie noch niemand in unserer ganzen Geschichte das Opfer unserer Krieger, Volk, Führer und Reich. Den Meuchelmord an unserem Führer setzten sie ins Werk. Feige dachten sie, dem Feinde unser Volk auf Gnade und Ungnade auszuliefern, es selbst in dunkler Reaktion zu knechten. Verräter an allem, wofür wir leben und kämpfen, werden sie alle mit dem Tode bestraft. Ihr Vermögen verfällt dem Reich.«
    In einer Lagebesprechung kurz nach dem 20. Juli hatte Hitler auch die Todesart festgelegt: »Die sollen nicht die ehrliche Kugel bekommen. Die sollen hängen wie gemeine Verräter. Und innerhalb von zwei Stunden nach der Verkündung des Urteils muß es vollstreckt sein. Die müssen sofort hängen, ohne jedes Erbarmen.« Hitler läßt Freisler und den verantwortlichen Scharfrichter zu sich kommen und verfügt ausdrücklich, daß geistlicher Beistand zu versagen sei und den Verurteilten nicht die kleinste Milderung gewährt werden dürfe: »Sie sollen hängen wie Schlachtvieh«. So geschieht es. Bernhards Sterbe-Urkunde im Bezirksamt Charlottenburg nennt als Todeszeit 20 Uhr 14 am 15. August 1944, Todesursache: Erhängen, Anzeigender ist jener Hilfsaufseher Paul Dürrhauer, wohnhaft Manteuffelstraße 10, dem ich schon vor Jahren auf der Spur war. Er lebt lange nicht mehr, und auch hier hat er damals erklärt, »er sei vom Tode aus eigener Wissenschaft unterrichtet«.
    Else berichtet im Februar 1947 im Kindertagebuch – so lange hat sie nicht geschrieben: »Wir wissen nichts. Der erste Prozeß vom 7. und 8. August wird veröffentlicht in der widerlichsten Form, Stieff ist dabei und Albrecht von Hagen, Bernhard nicht, wir nehmen das als ein gutes Zeichen. Am 7. August holt ein Soldat Zivilzeug für Bernhard, wir schöpfen auch hieraus Hoffnung in unserer Naivität. Heute wissen wir, daß sie ausgestoßen wurden aus der Wehrmacht und deshalb in Zivil vor Gericht erscheinen mußten. Vater hatte ja Zivil in Berlin. Die Nächte sind besonders schlimm, keine Arbeit, die ablenkt, und die schweren Nachtangriffe auf Berlin, und wir
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