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Meine Tiere, mein Leben

Meine Tiere, mein Leben

Titel: Meine Tiere, mein Leben
Autoren: James Herriot
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er hervor, »dass ich das arme Tierchen vernachlässigt habe!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Na, ich bin den ganzen Tag in Catterick beim Pferderennen gewesen und habe gewettet und getrunken, ohne ein einziges Mal an mein armes Hündchen zu denken.«
    »Sie haben sie die ganze Zeit hier im Haus allein gelassen?«
    »Nein, nein, die Frau ist bei ihr gewesen.«
    »Aha.« Ich spürte, dass ich langsam dem Geheimnis auf die Spur kam. »Und die Frau hat Myrtle Futter gegeben und sie in den Garten hinausgelassen?«
    »Ja, sicher«, sagte er und rang die Hände. »Aber ich hätte sie nicht allein lassen sollen. Sie hängt so sehr an mir.«
    Während er sprach, fühlte ich, wie die eine Seite meines Gesichts vor Hitze zu kribbeln begann. Und plötzlich war mir alles klar.
    »Sie haben sie zu dicht an den Ofen gestellt«, sagte ich. »Sie japst, weil es ihr zu heiß ist.«
    Er sah mich zweifelnd an. »Wir haben den Korb heute erst hierher geschoben. Der Fliesenleger hat ein paar neue Kacheln auf dem Fußboden verlegt.«
    »Sie werden sehen«, sagte ich, »sobald Sie ihn wieder dahin schieben, wo er immer stand, wird ihr nichts mehr fehlen.«
    »Aber, Herr Doktor«, erwiderte er mit bebenden Lippen, »es muss mehr sein als nur das. Sie leidet. Sehen Sie sich ihre traurigen Augen an.«
    Myrtle hatte wunderschöne große, schwimmende Augen, und sie wusste sie einzusetzen. Viele Hundeliebhaber glauben, der Spaniel könne die seelenvollsten Blicke von sich geben. Ich selber traue das eher den Beagles zu. Myrtle jedenfalls war eine Meisterin darin.
    »Ach, da machen Sie sich mal keine Gedanken, Mr. Cobb«, sagte ich. »Glauben Sie mir, es fehlt ihr nichts.«
    Aber Mr. Cobb war immer noch unglücklich. »Wollen Sie nicht doch etwas tun, Herr Doktor?«
    Das war eine der großen Fragen im Leben eines Tierarztes. Wenn man nichts »tat«, waren die Leute nicht zufrieden. In diesem speziellen Fall war es so, dass Mr. Cobb dringender einer Behandlung bedurfte als sein Liebling.
    Allerdings wollte ich Myrtle nicht, nur um ihn zu beruhigen, eine Spritze geben. Deshalb holte ich eine Schachtel Vitamintabletten aus meiner Tasche und schob dem kleinen Tier eine hinten über die Zunge.
    »Das wär’s«, sagte ich. »Die Tablette wird ihr gut tun.« Ich kam mir wie ein Scharlatan vor. Andererseits würde ihr die Tablette zumindest nicht schaden.
    Mr. Cobb war sichtlich erleichtert. »Ah, das ist gut. Sie haben mein Gewissen beruhigt.« Er nahm Kurs auf einen üppig eingerichteten Salon und ging mit unsicheren Schritten auf einen Barschrank zu. »Wie wär’s mit einem Gläschen, ehe Sie gehen?«
    »Nein, vielen Dank, wirklich«, sagte ich. »Lieber nicht.«
    »Ich brauche einen Schluck, um meine Nerven zu beruhigen. Ich war so aufgeregt.« Er goss sich einen kräftigen Schluck Whisky ins Glas und winkte mich zu einem Sessel.
    Mein Bett rief nach mir, aber ich setzte mich trotzdem und leistete ihm Gesellschaft, während er trank. Er erzählte mir, dass er Buchmacher gewesen sei und erst seit einem Monat in Darrowby lebe. Aber obwohl er beruflich mit Pferderennen nichts mehr zu tun habe, versäume er kein einziges Rennen im nördlichen England.
    »Ich genehmige mir ein Taxi und mache mir einen guten Tag.« Sein Gesicht strahlte, während er sich an die glücklichen Stunden erinnerte, dann zitterten seine Wangen einen Moment und der wehleidige Ausdruck kehrte in sein Gesicht zurück.
    »Aber ich vernachlässige meinen Hund. Ich lasse ihn allein zu Hause.«
    »Unsinn«, sagte ich. »Ich habe Sie schon draußen in den Feldern mit Myrtle gesehen. Sie geben ihr viel Auslauf, nicht wahr?«
    »O ja, wir machen jeden Tag lange Spaziergänge.«
    »Na, dann hat sie doch ein gutes Leben. Sie machen sich unnötige Sorgen.«
    Er sah mich mit strahlender Miene an und goss einen Schluck Whisky in sich hinein. »Sie sind ein guter Kerl«, sagte er. »Kommen Sie, nehmen Sie wenigstens einen, bevor Sie gehen.«
    »Also gut, aber nur einen kleinen, bitte.«
    Während wir tranken, wurde er immer sanfter, bis er mich schließlich fast unterwürfig ansah.
    »James Herriot«, lallte er. »Ich vermute, das ist Jim, was?«
    »Ja.«
    »Dann werde ich Sie Jim nennen, und Sie nennen mich Humphrey.«
    »Gut, Humphrey«, sagte ich und trank das letzte Tröpfchen von meinem Whisky. »Aber jetzt muss ich wirklich gehen.«
    Draußen legte er die Hand auf meinen Arm, und sein Gesicht wurde wieder ernst. »Ich danke dir, Jim. Myrtle ging es wirklich ziemlich schlecht. Ich bin dir
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