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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
Autoren: Annabel Pitcher
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Mein Bein zuckte und stieß in einer Stunde fünfmal an Sunyas Bein. Dreimal aus Versehen, zweimal mit Absicht. Sie sagte nicht Lass das oder Behalt dein Bein gefälligst bei dir oder so was. Sie schaute nur auf ihre Bruchrechnungen und knabberte an ihrem Füller, und ich hatte das Gefühl, dass sie sich anstrengen musste, um nicht zu lächeln.
    Als ich aus dem Schulgebäude kam, war der Himmel türkis, und die Sonne sah riesig und golden aus, wie ein gigantischer Strandball auf dem blauen Meer. Ich hoffte, dass ihre Strahlen warm genug waren, um in die Erde zu scheinen, damit sie Roger wärmen konnten. Ich hoffte, dass er sich nicht einsam fühlte in seinem Grab und dass er keine Angst hatte. Da spürte ich plötzlich einen stechenden Schmerz in der Brust, wie wenn man bei so einem All-You-Can-Eat-Abend zu viel Pizza gegessen hat. Ich setzte mich auf eine Mauer, legte eine Hand auf mein Herz und wartete ab. Das Stechen wurde schwächer, aber ein dumpfer Schmerz blieb zurück.
    Ich hörte etwas klirren und schaute zur Seite. Sunya kam auf mich zugerannt. Wieso gehst du, ohne dich zu verabschieden , sagte sie und stützte die Hände in die Hüften. Das Glitzern in ihren Augen war wieder da, und es war wilder als je zuvor. Ihr Hijab war leuchtend gelb, und ihre Zähne funkelten weiß, und ihre Augen leuchteten wie Millionen Sonnen. Sie kletterte auf die Mauer, setzte sich neben mich und schlug die Beine über, und ich starrte sie an, als sei sie eine tolle Aussicht oder ein schönes Gemälde oder eine interessante Schautafel im Klassenzimmer. Die Sommersprosse über ihrer Lippe hüpfte, als Sunya sagte Du kannst doch nicht weggehen, ohne dass ich mich bei dir bedanken konnte . Ich biss auf die Innenseite meiner Wange, um nicht breit zu grinsen. Bedanken , fragte ich, als hätte ich keine Ahnung, wovon sie redete. Wofür denn . Sie beugte sich vor und stützte das Kinn in die Hand. Da bemerkte ich den blauen Ring an ihrem Mittelfinger.
    Wenn Neid grün ist und Zweifel schwarz, dann ist Glück braun. Ich schaute von dem kleinen braunen Stein zu der braunen Sommersprosse und dann in Sunyas große braune Augen. Dafür dass du mich gerettet hast , sagte sie, während ich noch immer möglichst cool tat. Dass du Daniel verhauen hast . Sie trug den Ring. Sie trug wirklich den Klebknetering. Sunya war meine Freundin. Nicht der Rede wert , sagte ich. Das war so was von klasse , sagte Sunya und fing an zu lachen. Und wenn Sunya lacht, kann sie eben nicht mehr aufhören, und dann muss man mitlachen. Du brauchst mir nicht zu danken , Girl M , sagte ich. Ich kriegte schon Seitenstechen vor Lachen, und mein Grinsen war so breit wie eine Banane. Danke, Spider-Man . Sunya hörte auf zu kichern und legte mir die Hand auf die Schulter. Du warst toller als Spider-Man , flüsterte sie mir ins Ohr.
    Es war plötzlich ganz schön heiß, und es gab nicht mehr genug Luft zum Atmen. Ich schaute auf einen schmelzenden Schneehaufen am Boden, den ich wahnsinnig interessant fand, und dann konnte ich nicht anders: Ich musste einfach von der Mauer springen und ganz oft gegen diesen Schneehaufen treten. Ich komm mit dir , sagte Sunya. Sie stellte sich auf der Mauer hin, machte einen großen Sprung und landete neben mir. Aber deine Mum , sagte ich und schaute mich um, ob sie in der Nähe war. Sie meint doch, dass ich nicht gut für dich bin . Sunya hakte sich bei mir ein und grinste. Mums und Dads wissen aber nicht alles .
    Auf dem Heimweg erzählte ich Sunya von Roger. Das tut mir so leid , sagte sie. Er war ein toller Kater . Sie hatte ihn nie kennengelernt, aber das war nicht wichtig. Roger war wirklich ein toller Kater gewesen. Der allertollste. Das wusste jeder.
    Unterwegs trafen wir den alten Mann mit der Kappe. Fred, der Hund, wedelte mit dem Schwanz und leckte mir die Hand ab. Es fühlte sich klebrig an, aber das machte nichts . Alles okay , fragte der Mann und zog an seiner Pfeife. Es roch nach Lagerfeuer. Wie geht’s dir . Ich zuckte die Achseln. Verstehe , sagte der alte Mann ernst. Letztes Jahr ist mein alter Hund gestorben, Pip, und das macht mich immer noch traurig. Diesen Schlingel hier hab ich erst seit vier Monaten . Er zeigte auf Fred. Und der macht mir verdammt viel Arbeit . Fred sprang hoch und stemmte die Pfoten gegen meinen Bauch. Scheint dich zu mögen , sagte der alte Mann und kratzte sich mit dem Pfeifenstiel am Kopf, als müsse er nachdenken. Ich hab da eine Idee. Wie wär’s, denn du mir mit Fred ein bisschen hilfst. Du
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