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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
Autoren: Annabel Pitcher
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der Erde begraben werden. Dad hielt mich am Arm fest und sagte Er ist nicht mehr da . Dabei nickte er, als wolle er sich selbst von etwas überzeugen. Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er holte tief Luft und blinzelte sie weg. Dann nickte er noch mal, als habe er eine schwierige Entscheidung getroffen. Fing an zu graben. Sagte Was hier war, ist jetzt nicht mehr da . Und in seiner Stimme lag eine große Traurigkeit, die ich verstehen konnte.
    Es dauerte lange. Die Erde war gefroren. Während Dad grub, streichelte ich Rogers Kopf und sagte ihm immer wieder, dass ich ihn liebhatte. Neue Tränen stiegen mir in die Augen und liefen mir übers Gesicht. Ich wollte nicht, dass die Grube tief genug wurde. Ich wollte nicht, dass Dad damit fertig wurde. Ich wollte mich nicht verabschieden. Irgendwann tauchte Jas auf. Ich hatte sie nicht gehört. Doch plötzlich kauerte sie neben mir, weinte leise und streichelte Rogers blutiges Fell. Ihre Haare waren grell pink. Sie hatte sie wieder umgefärbt.
    Dad hörte viel zu schnell mit Graben auf. Es ist so weit , sagte er. Bist du bereit . Ich schüttelte den Kopf. Wir machen es gemeinsam , flüsterte Dad und nahm den kleinen Gegenstand aus seiner Tasche. Die goldene Urne. Wir machen es gemeinsam .
    Mrs. Farmer sagte manchmal, es sei zu kalt für Regen, und so sah Dad jetzt aus. Zu traurig für Tränen. Er ging zum Teich rüber. Jas stand auf und schlang die Arme um sich. Ich hob Roger hoch. Dad öffnete die Urne. Die Sonne schien jetzt heller als am ganzen Tag. Das Licht funkelte auf der goldenen Urne.
    Ich ging zu der Grube. Dad schüttete einen Teil von Rose in seine Hand. Nein. Nicht von Rose. Rose war nicht mehr da. Dad schüttete Asche in seine Hand. Ich legte Roger in das Grab. Dad holte tief Luft. Ich holte noch tiefer Luft. Ein paar Sekunden lang war alles ganz still. Ein Vogel zwitscherte, und der Wind rüttelte an den kahlen Ästen der Bäume. Dad ließ die Asche los. Er verabschiedete sich nicht. Er brauchte das nicht mehr. Rose war schon lange nicht mehr hier.
    Die Asche flatterte zum Teich hinunter, fiel aufs Wasser und versank. Ich sah meinen Fisch umherschwimmen. Nahm den Spaten und lud ein bisschen Erde auf. Meine Hände wurden nass. Ich hielt den Spaten über die Grube, konnte ihn aber nicht umdrehen. Ich konnte keine Erde auf meinen Kater werfen. Roger ist nicht mehr da , sagte ich mir. Er ist weg. Das hier ist nicht mehr Roger. Roger ist verschwunden . Aber das half mir kein bisschen. Ich sah nur Rogers schwarze Nase und seine silbrigen Schnurrhaare und seinen langen Schwanz, und ich wollte ihn wieder aus dem Grab holen. Ich wollte nicht verstehen, dass er tot war.
    Dad kippte die Urne wieder. Streute Asche in seine Hand. Er biss die Zähne zusammen, und Rose’ Asche fiel in den Teich. Wenn Dad das schaffte, konnte ich es auch. Ich ließ die Erde ins Grab fallen.
    Ich konnte Roger nicht anschauen. Ich konnte es nicht ertragen, wie sein Körper unter der Erde verschwand. Ich flüsterte Ich liebe dich und Du wirst für immer mein Lieblingstier bleiben und Du wirst mir fehlen , und dann schaufelte ich so schnell wie möglich Erde ins Grab. Ich machte keine Pause, um zu Dad rüberzuschauen. Ich wusste, dass ich nicht mehr weitermachen könnte, wenn ich auch nur eine Sekunde lang innehielt.
    Ich klopfte die Erde auf dem Grab fest, damit es schön flach war. Dann ließ ich den Spaten fallen, als klebten Bazillen dran oder so. Ich verstand gar nicht, was ich gemacht hatte. Ich konnte mich selbst und die Welt nicht ausstehen, und mein Bauch tat weh und mein Herz und mein Kopf auch. Jas legte mir den Arm um die Schultern und hielt mich im Arm, als ich weinte. Roger war weg. Ich würde ihn nie mehr wiedersehen. Das machte mir so viel Angst, dass ich nicht mehr daran denken wollte. Deshalb wischte ich mir die Tränen aus den Augen und starrte zu Dad rüber. Er stand noch am Teich und streute Rose’ Asche ins Wasser. Eine kleine Menge nach der anderen.
    Ich ging zu ihm und zog Jas mit. Wir stellten uns links und rechts neben ihn und sahen zu, wie die Asche ins Wasser sank. Mein Fisch schlängelte sich durchs Wasser und wedelte fröhlich mit der Flosse, und Ascheteile landeten auf seinen goldenen Schuppen und blieben dort kleben.
    Jetzt war nur noch ein klein wenig Asche übrig. Die letzten Flocken fielen in Dads Hand. Er schaute in die Urne und sah erschrocken aus, weil nichts mehr drin war. Seine Hände zitterten.
    Nicht , sagte ich plötzlich. Mach es nicht . Dads Hand
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