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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
Autoren: Uwe Steimle
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immer richtig sind »für ihre hübschen blauen Augen und die geistreiche Spitznase.« Das ist ein Segen für Angela Merkel und eine Auszeichnung dazu.
    Dabei sollten wir aber die nicht vergessen, und das betrifft sicherlich viele ihrer Kollegen und Untertanen, die mit einer geistlosen Rundnase durchs Leben gehen müssen, blauäugig sicher in vielen Fällen, aber schwer gestraft mit einer Nase ohne Geist.
    Übrigens gibt es für die Nase und ihre diversen Formen noch andere schmeichelnde oder wenig schmeichelnde Bezeichnungen: »Zinken« fällt mir ein … »Näschen«, oft in Form eines »Stupsnäschens« … »Knolle« . . . »Hakennase« … Die Bezeichnungen für die Formenvielfalt führt uns nicht selten
in das Reich der Ornithologie. Finden Sie mindestens zwei Beispiele! …? Wie wäre es mit »Hakengimpel« oder »Geierjunges«?
    Die Bedeutung unseres Riechorganes kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Ist es nicht die Nase, die über Sympathie und Antipathie entscheidet und auf diese Weise wesentlich unser Sozialverhalten bestimmt? »Den/oder Die/ kann ich nicht riechen!« wird mir da durch den, ach ja, »Riechkolben« signalisiert, und schon gibt es Probleme mit den zwischenmenschlichen Beziehungen.
    Der Geruch geht ja unmittelbar ins Gehirn. Direkt, also ohne Umwege. Und trifft dort auf ein Zentralorgan. Gerade auch in sehr jungen Jahren bildet sich Bewusstsein über die Nase.
    Ich habe ja im Zusammenhang mit dem Intershop davon berichtet, wie raffiniert und erfolgreich diese Tatsache vom Klassenfeind ausgenutzt wurde und wie mit auserlesenen Westdüften die Hirne der DDR-Bürger, vornehmlich der jungen DDR-Bürger, vernebelt und verführt wurden.
    Wenn ich heute fünf Hauptgerüche meiner Kindheit ausfiltrieren sollte, Gerüche, die mich geprägt haben, so sind diese: der Maiglöckchenduft meiner Mutter, Pitralon (Gutriech-Wasser) meines Vaters, Orangenmilch aus der Schulspeisung, Bohnerwachs aus dem Vorderhaus und Kognakbohnen aus der Bonbonniere zum Verschnabulieren. »Wie Musik klingt das alles«, denke ich so bei mir, und während ich diese Gerüche, sie alle, aus der Erinnerung hervorhole, rieche ich sie wieder. Und allein der Gedanke an diesen Cocktail lässt mich beruhigt feststellen: Ich hatte eine schöne Kindheit, denn – sie roch gut. »Duft – das süße Gift!«, durchfährt es mich poetisch. Hätte auch alles anders kommen können. Wehe, meine Kinderjahre hätten mich angestunken! Wer weiß, was dann aus mir geworden wäre – ohne Gutriech-Wasser!? …
    Der Mensch ist nicht nur, was er isst, sondern auch, was er riecht. Das kann sehr trügerisch sein, und was er riecht, ist durchaus nicht immer authentisch. Was, wenn jemand, ideen-und trickreich – Sie werden entschuldigen – aus »Scheiße« Bonbons macht, jetzt mal nur so geruchstechnisch gesprochen, und Sie merken gar nicht, was da geschehen ist beziehungsweise geschieht?
    Das geht selbstverständlich auch »mit Geschmack«. Neulich las ich in einer Werbung: »Schokolade mit echten Erdbeerstückchen«. »Aha«, dachte ich so bei mir, »mit echten«. Was war da vorher drin? Fast hätte ich zugeschlagen, aber das Wort »echt« hat sie verraten, die »Erdbeeren«.
    Der Mensch ist, was er riecht. Riecht er auch, wer er ist? Oder wer er war? Kommt daher der Name »Stallgeruch«? Überhaupt, ist Geruch Vergangenheit oder Gegenwart? Wie oder was werden wir in Zukunft riechen? Jetzt, wo die Zukunft Wirklichkeit wird, haben wir vielleicht in Wirklichkeit gar keine Zukunft mehr? . . . Schluss. Schluss!
    Ich wollte doch nicht mehr auf diese unergiebige Weise Fragen stellen, und antizipieren wollte ich schon gar nicht, auch nicht in Hinblick auf die Zukunftswirkungen der Gerüche … Es liegt doch alles in Seiner Hand. Der Herr wird mich führen, Sein Reich komme, das Reich der Zukunft. Bis dahin bleibt uns ja noch das Reich der Sinne auf Erden.
    Und da kommt mir doch plötzlich noch ein anderer Duft in den Sinn, der Hauptduft bei der Lösung der großen Hausaufgabe: der Dresdner Semmelduft.
    Wenn ich sonnabends früh Milch und Semmeln holen ging, dann sagte ich immer: »Acht scharfe Schlesier bitte.« Acht scharfe Schlesier! Wenn Sie das heute beim Bäcker sagen, dann kann es sein, der Verfassungsschutz hört mit und glaubt, Sie seien rechtsradikal. Die Bundeswehr soll ja jetzt auch im Landesinnern eingesetzt werden, ja, gegen Piraten
und wegen des Kampfes gegen ausländische Terroristen. Irgendwann streicht man den Zusatz
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