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Meine kurze Geschichte (German Edition)

Meine kurze Geschichte (German Edition)

Titel: Meine kurze Geschichte (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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einem Sommerkurs, den der Hoyle-Schüler Jayant Narlikar abgehalten hatte. Doch Hoyle hatte bereits genügend Doktoranden, daher wurde ich zu meiner großen Enttäuschung Dennis Sciama zugeteilt, von dem ich noch nie gehört hatte.
    Wahrscheinlich war es das Beste, was mir passieren konnte. Hoyle war viel unterwegs und hätte mir vermutlich nicht viel Aufmerksamkeit schenken können. Sciama dagegen war meist da und stand mir für Rücksprachen zur Verfügung. Mit vielen seiner Ideen war ich nicht einverstanden, vor allem über das Mach’sche Prinzip, der Auffassung, dass Gegenstände ihre Trägheit dem Einfluss aller anderen Materie im Universum verdanken. Aber das regte mich an, einen eigenen Entwurf zu entwickeln.
    Als ich mit meiner Forschungsarbeit begann, waren die beiden offenkundig spannendsten Gebiete die Kosmologie und die Teilchenphysik. Letztere war ein vielbeachtetes Feld, das sich rasch entwickelte und die meisten begabten Physiker anlockte, während Kosmologie und allgemeine Relativitätstheorie noch immer auf dem Stand der dreißiger Jahre verharrten. Von Richard Feynman – Nobelpreisträger und einer der bedeutendsten Physiker des zwanzigsten Jahrhunderts – gibt es einen amüsanten Bericht aus dem Jahr 1962 über seine Teilnahme an einer Konferenz über allgemeine Relativitätstheorie und Gravitation in Warschau. In einem Brief an seine Frau schrieb er: «Von der Tagung habe ich nicht das Geringste. Ich lerne nichts. Da keine Experimente stattfinden, ist das Forschungsfeld praktisch tot, deshalb arbeiten da nur wenig wirklich gute Leute. Aus diesem Grund gibt es hier einen Haufen Idioten (126), und das ist ganz schlecht für meinen Blutdruck … Erinnere mich daran, dass ich keine Gravitationskonferenzen mehr besuche!»

    NATÜRLICH wusste ich von alldem nichts, als ich mit meiner Forschung begann, aber ich fand, dass die Teilchenphysik damals der Botanik ein wenig zu ähnlich war. In den vierziger und fünfziger Jahren war die Quantenelektrodynamik – die Licht- und Elektronentheorie, die der Chemie und der Atomstruktur zugrunde liegt – vollständig ausgearbeitet worden. Jetzt hatte sich die Aufmerksamkeit auf die schwachen und starken Kernkräfte zwischen den Teilchen im Atomkern verlagert, aber die schienen sich mit vergleichbaren Feldtheorien nicht erklären zu lassen. Tatsächlich vertrat vor allem die Cambridge-Schule die Auffassung, es gebe dort keine entsprechende Feldtheorie. Stattdessen werde alles durch Unitarität – das heißt Wahrscheinlichkeitserhaltung – und charakteristische Muster der Teilchenstreuung bestimmt. In der Rückschau erscheint es wirklich erstaunlich, dass man glaubte, dieser Ansatz könne erfolgreich sein, aber ich weiß noch, mit welchem Hohn die ersten Ansätze vereinheitlichter Theorien der schwachen Kernkräfte aufgenommen wurden, die schließlich ihren Platz einnahmen. Die analytische S-Matrix-Theorie ist heute vergessen, daher bin ich sehr froh, dass ich mir damals kein Forschungsthema aus der Teilchenphysik gesucht habe. Keine meiner Arbeiten aus dieser Zeit hätte Bestand gehabt.
    Kosmologie und Gravitation dagegen waren vernachlässigte Forschungsgebiete und inzwischen reif für neue Entwicklungen. Anders als in der Teilchenphysik gab es hier eine wohldefinierte Theorie – die allgemeine Relativitätstheorie –, die allerdings in dem Ruf stand, viel zu schwierig zu sein. Die Forscher waren so erfreut, wenn sie irgendeine Lösung für Einsteins Feldgleichungen fanden, die die Theorie beschreiben, dass sie nicht fragten, ob und welche physikalische Bedeutung sie überhaupt hatte. Das war die alte Schule der allgemeinen Relativitätstheorie, mit der Feynman in Warschau zu tun bekommen hatte. Paradoxerweise begann auf eben jener Warschauer Konferenz die Renaissance der allgemeinen Relativitätstheorie, allerdings ist Feynman kein Vorwurf daraus zu machen, dass er das damals nicht erkannt hat.
    Eine neue Generation drängte auf das Feld, und mit ihr entstanden neue Forschungszentren der allgemeinen Relativitätstheorie. Für mich waren zwei von ihnen von besonderer Bedeutung. Das eine befand sich in Hamburg und wurde von Pascual Jordan geleitet. Zwar habe ich es nie besucht, bewunderte aber die eleganten Arbeiten, die dort entstanden und sich deutlich von den schludrigen Untersuchungen unterschieden, die bis dahin über die allgemeine Relativitätstheorie erschienen waren. Das andere Zentrum befand sich am Kings College in London und unterstand Hermann
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