Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
Vom Netzwerk:
aus, dass sie großräumig ihr Territorium markieren. »Keine Stute«, sagt das Zooschild am Halbeselzoogehege, »würde einen Hengst ohne Grundbesitz akzeptieren.« In Niederbayern
kenne ich Jungbauern, die verhalten sich ebenso: Erst bauen sie ein großes Haus und eine Doppelgarage mit Rundbogen. Dann setzen sie sich in das Haus und warten, bis eine Frau sich vom Rundbogen angezogen fühlt. Manchmal klappt das.
    Meine Frau, die so gerne ein Haus haben möchte, gibt mir das Gefühl, zu fünfzig Prozent ein Halbesel und zur anderen Hälfte ein niederbayerischer Jungbauer zu sein.
    Pia ist nicht allein mit ihrem Wunsch, einen territorial veranlagten Markier-Mann an ihrer Seite zu wissen. Das ist ein globales Phänomen. Neulich erst hat ein junger Waschbär auf der Suche nach einem eigenen Revier einen Streckenweltrekord aufgestellt.
    »Kleinsäuger«, erklärt die Zeitung, die davon berichtet, »wachsen über sich hinaus, sobald sie Frau und Freiheit suchen.« Es geht in diesem Fall um Waschbär Nummer 5002, der im Müritz-Nationalpark markiert wurde, damit man sehen kann, wie weit er kommt. Denn Waschbären suchen, sobald sie erwachsen sind und ihre Mutter verlassen können, schnurstracks das Weite, wobei sie nur ein Ziel kennen: ein eigenes Revier und ein passendes Weibchen.
    Nummer 5002 läuft vom Müritz-Nationalpark, ausgestattet mit Ohrmarken und UKW-Sendehalsband, bis nach Bremen. Das sind 285 Kilometer. Eine Sensation unter Waschbären.
    Der bisherige Rekordhalter, weiß die Zeitung, habe es dagegen nur 95 Kilometer weit geschafft. »Dieses
Tier ist allerdings nach 95 Kilometern überfahren worden. Für Waschbärenmännchen kein ungewöhnliches Ende.«
    Das ist nicht fair. Aber nicht nur das Ende des Waschbären, auch das Ende des Artikels finde ich im Hinblick auf Pias Herzenswunsch problematisch: »Irgendwann versiegt der Wanderdrang der Männchen. Sind Revier und Weibchen gefunden, widmen sie sich ganz dem Fressen und der Reproduktion.«
    Wir haben aber schon drei Kinder. Und mein Bodymassindex wird ärztlicherseits beargwöhnt. Darauf weise ich Pia jetzt hin: Nur noch fressen und Reproduktion sind keine Perspektiven für mich. Sie sagt: »Du hast gar kein Revier.« Wenn sie damit ein Haus und einen Garten meint: Da hat sie Recht.
    Ich kenne jemanden, der erzählt ernsthaft, es sei das Höchste, nachts im eigenen Garten gegen die Hecke zu strullen. Bisher dachte ich immer, der spinnt. Aber möglicherweise ist auch viel Waschbär und viel Halbesel in dem Mann.

    Am Abend vor dem Einschlafen lese ich in einem Agentenkrimi, in dem es hauptsächlich darum geht, dass der KGB den Papst von einem bulgarischen Killer töten lassen möchte.
    Dort heißt es: »Miss Margaret«, das ist das Kindermädchen, »kümmerte sich um die Kinder … Dann machten sich die Eltern auf den Weg zur Arbeit. Ryan war dieser Ablauf ein Gräuel. Wenn er Cathy doch nur
dazu bewegen könnte, eine Wohnung in London zu kaufen - das hätte den Arbeitstag um gut zwei Stunden verkürzt! Aber nein, Cathy wollte ein Haus mit Garten, damit die Kinder draußen spielen konnten. Dabei würden sie beide die Sonne bald nur noch sehen, wenn sie bei der Arbeit waren.«
    Cathy ist übrigens Augenärztin, und Ryan ist CIA-Agent, derzeit in London stationiert. Ich glaube, im Kino wurde Ryan mal von Harrison Ford gespielt. Ich weiß nicht, ob mich das trösten soll, aber offenbar ist nicht mal Harrison Ford in der Lage, in der Stadt zu wohnen, solange Cathy das nicht will. Dabei muss er dringend den Papst retten.
    Der Mann, der nur Agent ist, rettet den Papst, während die Frau, die immerhin Ärztin ist, also zum Lebenretten bestens ausgebildet erscheint, hauptsächlich einen Garten will: Es wird wirklich Zeit, dass sich die Frauenbewegung endlich durchsetzt. Solche Rollenklischees sind doch furchtbar. Aber wahrscheinlich dauert es noch einhundert Jahre, bis Frauen heimlich die Anzeigen für Stadtwohnungen studieren, während ihre Männer sich nur noch für aufblasbare Planschbecken, Rasenmähen und die Zugverbindung in die Innenstadt interessieren. Es wäre daher ganz gut, wenn auch CIA-Agenten stolz in aller Öffentlichkeit von sich sagen: »Ja, auch ich will einen Garten.«
    Übrigens will nicht nur Pia einen Garten. Auch Anton, der Erstgeborene, will einen Garten, nämlich zum Indiana-Jones-Spielen, zum Pfeil-und-Bogen-Schießen
und zum Zelten. Im Kino wurde Indiana Jones von Harrison Ford gespielt.

    Anton trägt eine Nickelbrille und sieht damit aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher