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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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passiert. Wer wüßte das besser als die Metallfräser?
    Der Berliner zum Beispiel braucht diese Ratschläge der Experten eigentlich nicht. Eigentlich braucht der Berliner gar keine Sätze von anderen. Er weiß längst, daß man immer verschiedene Eisen im Feuer haben muß. Er hat sogar ein Sprichwort dafür. Der Berliner sagt:
    »Warte nie an einer Bushaltestelle, wo nur ein Bus fährt.« Weil, wenn der dann nicht kommt, dann, ja dann, aber dann… dann guckste, so wie ich jetzt am Busbahnhof in Lemgo, wo am Sonntagmorgen genau eine Linie fährt, bzw. vor gut zehn Minuten hätte fahren sollen. Mit mir drin im Idealfall. Aber der Idealfall ist nicht. Wenn’s jetzt wenigstens regnen würde, könnte ich mir zumindest die Haare waschen. Aber nicht mal das
     Immer Pech.
    Auf der Bank sitzt ein Mann und liest Zeitung. Spreche ihn an:
    - Entschuldigung, warten Sie auch auf den Bus?
    Er schaut mich an, als hätte ich gefragt, ob ich mich auf seinen Schoß setzen darf. Dann lacht er und geht weg. Mist, wenn ich gewußt hätte, daß er so reagiert, hätte ich ihn eigentlich wirklich fragen können, ob ich mich auf seinen Schoß setzen darf. Wäre vielleicht ganz schön gewesen.
    Sehe einen Mann im Informationshäuschen sitzen.
    Klopfe an die Fensterscheibe. Frage:
    - Hallo, wann kommt denn der Bus?
    - Welcher Bus?
    - Na um 41 sollte einer fahren. Nach Bad Salzuflen. Jetzt ist es 53.
    Er verdreht die Augen, greift zum Telefon, telefoniert, lacht, legt auf, erhebt sich, zieht seine Hose zurecht, geht aus dem Häuschen wortlos an mir vorbei zum Busplan, zückt den Kuli und streicht den 41er-Bus durch. Sagt:
    - So, jetzt müssen Se doch wenigstens nicht mehr umsonst warten.
    Frage, wann der nächste Bus fährt. Er zeigt auf den Busplan. Sage: - Da steht nur der 41er.
    Er nickt: - Japp.
    Frage ihn, ob ich dann statt dessen ein bißchen auf seinem Schoß sitzen darf. Er schaut, als hätte ich gefragt, wann denn der Bus fährt. Willigt aber ein.
    Denke, während ich so auf seinem Schoß sitze: Sind wir nicht alle nur Fahrgäste, denen man den Bus gestrichen hat? Ja, das sind wir. Unter anderem.
    Ein Wagen hält vor uns. Es ist der Mann mit der Zeitung. Hintendrin drei Kinder. Er sagt:
    - Hallo, meine Kinder wollten mir einfach nicht glauben, daß da ein Mann ist, der hier auf einen Bus wartet. Das wollten sie unbedingt selbst mal sehen. Steigen Sie ein, ich fahr Sie.
    Auf der Fahrt erzählt er mir, wie er vor rund 30 Jahren genau an der Stelle, eigentlich auf der Durchreise, auch mal auf einen Bus nach Detmold gewartet hat. Kam einfach nicht. Ewig. Irgendwann dachte er sich: Ach Gott, bevor Du hier weiter sinnlos rumstehst, kannste in der Zeit, bis dein Bus kommt, ja auch eben schnell ein Haus bauen, Familie gründen, Garten anlegen. Gesagt, getan, so sei er dann in Lemgo seßhaft geworden. Denke: Ganz genau, dieser Mann hat verstanden, was diese Experten meinen. Man muß eben flexibel sein.

Kurz vorm Paradies

    Im Lokal. Der Mann am Nebentisch ruft offensichtlich Freunde in seinem Heimatort an. Er brüllt in den Hörer:
    - Du glaubst nicht, wo ich bin! Nee, nee, nee, rat mal, rat mal, rat mal, wo ich bin, das glaubste nicht, wo ich bin… Nee, da kommste nich drauf… In Berlin!!! bin ich, Berlin!!!, einfach mal hingefahren, mal angucken die Hauptstadt, glaubste nich, was? Ja, morgen fahr ich wieder zurück…
    Seit über zwei Stunden geht das jetzt so. Also, seit zwei Stunden bin ich dabei, weiß der Himmel, seit wann er schon in diesem Lokal sitzt und Freunden daheim am Telefon erzählt, daß er, der verrückte Hund, gerade in Berlin ist. Jaa, das glaubste nicht. Bin mal gespannt, was er morgen daheim erzählt, was er denn so in Berlin gemacht hat.
    Vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß sich das Lokal, in dem wir beide sitzen, in Dortmund befindet. Warum sitzt ein Mann in Dortmund im Lokal, ruft alle seine Freunde an und behauptet, er sei in Berlin? Bereitet er ein Verbrechen vor und verschafft sich so ein Alibi? Oder hat er sich nur vertan und denkt wirklich, er sei in Berlin? Und warum geht eigentlich sein Akku nicht leer? Oder hab am Ende ich mich vertan, und ich denke irrtümlich, wir sind eigentlich in Dortmund?
    Nicht auszuschließen. Aber nein, natürlich bin ich in Dortmund. Hab mich schon oft gefragt, warum ich so gern in Dortmund bin, mich gerade hier so wohlfühle. Dieser Abend, in dieser Kneipe, wird mir darauf einige Antworten geben.
    Ein neuer Gast kommt ins Lokal, geht auf den Telefonierer zu, klopft ihm
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