Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
zufällig auch noch der alte Seitz, sein Vater und Seniorchef des Kaufhauses.
    Die Kinder haben den Schock dann doch letzten Endes alle mehr oder weniger gut weggesteckt. Zumindest wenn man jetzt mal von dem einen oder anderen Trauma absieht, welches später dann mit Kifferadventskalendern oder ähnlichem bekämpft wurde. Schon im nächsten Jahr waren alle wieder beim Weihnachtsmannbesuch im Kaufhaus Seitz dabei.
    Nur Herrn Seitz muß das Ganze sehr nahe gegangen sein. Zumindest wurde er in den folgenden Jahren nie wieder beim Besuch des Weihnachtsmanns in seinem Kaufhaus gesehen.

Vorbeugende Wahnvorstellungen

    Frisch gewaschene Menschen machen mich immer ein bißchen mißtrauisch. Wenn mir so einer entgegentritt, denke ich immer, der will doch was von mir, warum hätte der sich sonst gewaschen? Stinkende Menschen allerdings machen mich auch mißtrauisch. Da denke ich stets, warum stinkt der so? Der will doch mit seinem Geruch von was noch viel Schlimmerem ablenken. Und so, wie der riecht, muß das schon was richtig Schlimmes sein. Am allermißtrauischsten aber machen mich Menschen, die nach gar nichts riechen. Da stimmt doch nun wirklich was nicht.
    Seit einiger Zeit sammle und entwickle ich in meiner Freizeit Psychosen. Ist so eine Art Hobby geworden. Diese ist besonders hübsch. Die Geruchspsychose. Die muß ich mir merken. Die schenk ich meinem Psychotherapeuten zu Weihnachten.
    Na ja, tatsächlich habe ich natürlich gar keinen Psychotherapeuten. Bin auch nirgendwo in Behandlung. Ich bilde mir das nur ein, daß ich einen Psychotherapeuten hätte und da immer mal wieder hinmüßte. Das ist so eine Art vorbeugende Wahnvorstellung, damit ich nicht irgendwann tatsächlich mal zu einem richtigen Psychotherapeuten muß, weil: die sind ja alle verrückt. Riechen auch so komisch.
    Funktionieren ganz gut, diese vorbeugenden Wahnvorstellungen. Man muß sich das in etwa so vorstellen wie Brandschneisen. Also kleinere, kontrollierte Brände, die man absichtlich legt, um die Ausbreitung von zum Beispiel größeren, gefährlichen Waldbränden zu verhindern. Ist eben alles eine Frage der Organisation.
    Aber diese vorbeugenden Wahnvorstellungen haben auch etwas Beruhigendes. Teilweise taugen sie sogar als eine weitere Säule der Illusion einer Altersvorsorge.
    Einer der beliebtesten und häufigsten Berufswünsche bei jungen Menschen ist ja zur Zeit Gerichtsmediziner oder Pathologe. So wie in CSI Miami oder dem Münster-Tatort oder noch rund 50 anderen aktuellen Krimiserien und ungefähr zwei Millionen Kriminalromanen. Doch nun mal angenommen, wir bilden jetzt tatsächlich derartig viele Gerichtsmediziner aus: Wo nehmen wir dann später die ganzen psychopathischen Killer her, um die auch zu beschäftigen? Da denkt natürlich heute keiner dran. Außer mir. Dann komm ich groß raus, mit meinen ganzen in der Freizeit auf Halde produzierten Psychosen. Man wird sie mir aus den Händen reißen. Dann werd ich zum Psychosenmogul.
    Es ist schon so, wie die Krankenkassen gerne sagen: Verantwortliche Vorsorge und damit auch Gesundheit beginnt immer im Kopf.

Lemgo

    »In der heutigen Zeit muß man flexibel sein.«
    Dieser Satz ist nicht von mir. Den habe ich geklaut. Aus einer Talkshow, also eigentlich aus ganz vielen Talkshows, wo kluge und erfolgreiche Menschen den weniger klugen und erfolgreichen Menschen vor den Bildschirmen erklären, warum sie, also die nicht so erfolgreichen Menschen, es niemals packen werden. Zumindest nicht, wenn sie nicht endlich mal auf die weisen Ratschläge der klugen Menschen hören.
    »In der heutigen Zeit muß man flexibel sein.« Für mich nichts Neues. Ich denke das auch immer, wenn ich beim Brötchenholen in den Regen komme, die Shampooflasche raushole und mir erst mal die Haare wasche. Ob beim Wetter oder sonstigen gesellschaftlichen Verwerfungen. Man muß immer vorbereitet sein, mehrgleisig fahren. Unsere heutige Gesellschaft verändert sich so schnell. Wenn heute noch Industriefeinmetallfräser gesucht werden, können es morgen schon wieder Ärzte sein. Und wer dann nicht vorbereitet ist, also wer in seinen Metallfräsepausen Kaffee getrunken hat, statt sich mit einem Medizinstudium weiterzubilden, der ist dann selber schuld. Der darf sich dann nicht wundern, wenn es im Metallfräserbusiness dünner wird und er dann auf einmal dasteht. Dabei ist gerade in der Metallfräserbranche selbst bei anhaltend guter Konjunktur ein zusätzliches Medizinstudium oft sehr sinnvoll. Ist ja schnell mal was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher