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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Autoren: Sven Hannawald
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gehen?
    Das grundlegende Bedürfnis eines Kleinkindes ist sichere Bindung, die frühe Trennung von den Eltern bedeutet meistens eine Verunsicherung im Bindungsverhalten, wird als Keim eines gewissen Scheiterns erlebt. Eine narzisstische Wunde, die die Erfahrung von sich und der Welt langfristig und gänzlich unbewusst prägt. Hier bilden sich frühe, strenge sogenannte Über-Ich-Strukturen als Versuch, sich zu stabilisieren.

    Arbeitsatmosphäre: Sven Hannawald in der Praxis von Nora Maasberg in Untermaiselstein im Allgäu
    Was bedeutet das genau?
    Einfach ausgedrückt: Das Kind meint, Leistungen bringen zu müssen, um gemocht zu werden. Leistungen, die eigentlich eine Überforderung darstellen. Es fürchtet in der Tiefe, verlassen zu werden, ein Nichts zu sein, wenn es sich nicht anstrengt oder den Forderungen der Umgebung nachkommt. Es entwickelt wenig Gefühl für eigene Grenzen. Das Kind lernt, sich nicht mehr zu spüren. Der Körper wird fremd oder nur durch starke Reize – zum Beispiel durch sportliche Verausgabung – spürbar. Der frühe Stress wird im Gehirn und im ganzen Körper verankert und kann in Konfliktsituationen ständig wieder aufgerufen werden und ablaufen. Das ist eine hormonelle Bahnung von Ausbrennen. Die frühere Beziehungssehnsucht, einfach nur da zu sein, versorgt zu werden, kindlich ohne Verantwortung zu sein, mit einem Gegenüber zu verschmelzen, kämpft mit der Angst vor dem Verlassenwerden, dem Verratenwerden und allen anderen Abhängigkeitsängsten. So wird Beziehung häufig konflikthaft, da das Beziehungsideal unrealistisch ist. Gerade dann, wenn Nähe verbindlich wird, kann es zu Beziehungsabbrüchen kommen, die für den anderen unverständlich und schmerzlich sind. Aber auch das Alleinsein, die forcierte Unabhängigkeit, ist keine dauerhafte Lösung, innere Leere und Einsamkeit machen sich breit.
    Wie konnten Sie diese komplexen Ursachen bearbeiten?
    Es war für Sven eine neue Erfahrung, in dieser Weise über sich nachzudenken und sich im Schutz der therapeutischen Beziehungen auszutauschen. Mein methodischer Hintergrund ist die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, wobei ich den körperlich empfindungsmäßigen Reaktionen viel Aufmerksamkeit schenke. Gefühlsmäßige Veränderung zeigt sich immer in körperlichen Reaktionen. Sven war motiviert, sich zu verändern. Er war ja selbst an dem Punkt, dass er wusste, dass diese Höchstleistungen nicht mehr zu erbringen sind. Der »Starrummel« belastete ihn. Er fühlte sich, als ob ihm etwas weggenommen wird. Das war eine gute Eintrittskarte, um seine Ängste und Bedürfnisse und unvertraute Empfindungen wie Trauer und Wut einzuordnen und zu beginnen zu verstehen.
    Wut? Auf was?
    Wut ist zunächst mal ein einfaches Zeichen, dass unser Selbst Energie mobilisiert, um uns zu schützen, uns abzugrenzen und sich gegen Fremdes zu wehren. Da er sich so schnell unter Druck gesetzt fühlte, war das Fühlen von Wut wie eine beginnende Gegenkraft. Diese Wut in Stärke zu verwandeln, in eine autonome Position, die aber in Beziehung bleibt – das ist die Aufgabe, die er bewältigen musste.
    Wie ging dann die Behandlung weiter?
    Sein Konzept von Alles oder Nichts musste sukzessive hinterfragt werden. Es dauerte lange, bis er kleine, positive Veränderungen wertschätzen konnte. Diese ganz kleinen psychischen Veränderungen zeigen echte Heilung an und brauchen deshalb so viel Geduld, die gerade in einer Vorgeschichte, wie sie Sven hat, nicht mitgeliefert wurde. Obwohl er das von seinem sportlichen Training her wohl schon kannte. Er selbst musste das ihm gerechte Maß finden, wie viel Erholung er braucht und wie viel Leistung er bringen kann. Das neue Verständnis führte zu einer stärkeren Annahme seines Selbst, mit einem gewissen Mitgefühl für sich – das ist sehr wichtig im Genesungsprozess.
    Wie viel Zeit brauchte er denn?
    Die drei bis vier Jahre, in denen ich ihn begleitet habe, waren notwendig, um eine Umstellung zu verankern.
    War jetzt der Erfolg der Therapie gesichert?
    Die tieferen Themen werden ihn sein ganzes Leben lang beschäftigen, weil immer neue Herausforderungen kommen – wie bei jedem von uns. Nach der stationären Behandlung war er ja wieder in seinem gewohnten sozialen Umfeld, und seine Trainer, Manager und Freunde konnten sein neues Bedürfnis nach Nichtstun und unstrukturierter Zeit kaum nachvollziehen. Dies bereitete ihm innere Konflikte, aber durch unsere Unterstützung traute er sich mehr und mehr, seine Grenzen
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