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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Autoren: Ulrike Herwig
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fragte Wanda. Sie konnte ihn ja zu Hause immer noch ab und zu an Franziska weiterreichen. Die konnte auch mal einspringen, wenn sie schon nicht die Zeit fand, ihren kranken Bruder zu besuchen. Schließlich gehörte sie ja auch zur Familie, und Wanda hatte nicht vor, sich alleine diese alberne Muckibude aufzuhalsen.

5   Triple Power Sensation
    Das Studio Herkules befand sich im Erdgeschoss eines Altbaus aus der Gründerzeit. Im Nachbarhaus hatte eine Verhaltenstherapeutin ihre Praxis und auf der gegenüberliegenden Straßenseite dümpelte ein altmodischer Friseursalon vor sich hin. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, und Wanda fluchte leise, weil sie keinen Schirm mitgenommen hatte. Andererseits war es natürlich völlig egal, wie sie aussah, wenn sie den Laden aufschloss. Es war ja nicht so, als ob eine Schlange munterer Sportsfreunde vor den verschlossenen Toren wartete. Im Grunde genommen wartete niemand dort, außer einer dicken Katze, die träge aus halb geöffneten Augen die fast menschenleere Straße beobachtete. Wanda schlug von außen leicht gegen ihre Handtasche. Dort lag das große Schlüsselbund, das Stefan ihr kurz vor ihrer Abreise sichtlich erleichtert überlassen hatte. Nicht ohne zu beteuern, dass sie ihn jederzeit, wirklich jederzeit auf dem Handy anrufen könne. Enrico hatte er leider immer noch nicht erreicht, er würde aber täglich in Stefans »Bude« auftauchen. Vielleicht konnte sie Enrico in den nächsten zwei Wochen so weit hinbiegen, dass er in der Lage war, das Herkules in Stefans Abwesenheit zu führen? Australien wartete immer noch, denn sie hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, Bertram am Telefon zu sagen, wie es um Stefan stand. So recht konnte sie auch noch nicht glauben, dass das Schicksal so gemein war, dass es ihr eine Australienreise wie einen Wurstzipfel vor die Nase hielt, nur um ihn dann mit einem Lächeln wieder wegzuziehen. Und so eine Gelegenheit kam ja wohl kaum wieder, denn irgendwann würde Wanda nämlich zu alt dafür sein, sich zwanzig Stunden lang mit Hunderten von Leuten in die Economy Class zu quetschen und zuzuschauen, wie die Blutzufuhr zu ihren Beinen abstarb.
    Das Schlüsselbund schlug bei jedem Schritt an etwas Metallenes. Was zum Teufel war das? Wanda lugte in die Handtasche. Ach so, das Spray. Repello  – ein Fernhaltemittel für Hunde und Katzen, der Verkaufsschlager, wie ihr der eifrige Verkäufer im Tierladen am Morgen versichert hatte. Als Wanda bei ihrer Rückkehr vor zwei Tagen todmüde von einer schier endlosen Zugfahrt durch ihre Gartentür gestolpert war, hatte sie ein neues Hundehäufchen im Steingarten vorgefunden. Wie die Liebesgabe eines heimlichen Lovers wartete es dort auf sie, umgeben von kriechendem Bohnenkraut und den letzten bunten Blättern dieses Herbstes. Gestern war sie zu müde und zu durcheinander gewesen, um sich damit zu beschäftigen, dafür war ihre Wut an diesem Morgen umso mehr entflammt.
    »Das Repello riecht für uns nach nichts«, hatte der Verkäufer ihr erklärt und zum Beweis seine Nase gegen die Spraydüse gepresst. »Aber für den Hund ist das ganz unangenehm, da nimmt er sofort Reißaus.«
    Hoffentlich hielt das Spray, was es versprach. Wanda überquerte die Straße und hielt nachdenklich bei der Katze an. Angeblich wirkte Repello auch bei Katzen. Warum das Zeug nicht gleich ausprobieren? Immerhin lag die Katze genau vor dem Herkules, also, rein technisch gesehen, hatte sie hier nichts verloren. Wanda sah sich schnell um, holte das Spray heraus und feuerte ein paar zischende Salven in Richtung Katze ab. Das Tier sprang wütend auf, miaute und machte einen Buckel.
    »Ist ja gut«, sagte Wanda erschrocken.
    »Minka«, rief jemand hinter ihr.
    Wanda fuhr herum. Eine Frau um die vierzig mit Hochsteckfrisur und Brille stand vor dem Nachbareingang und sah sie entsetzt an. »Was machen Sie denn da mit meiner Katze?«, fragte sie.
    »Ich … Katzenallergie.« Wanda ließ die Spraydose unauffällig in die Handtasche gleiten. Flammende Röte kroch ihren Hals hinauf. »Ich mach dann mal den Laden auf«, rief sie betont herzlich und wedelte mit dem Schlüsselbund.
    Die Frau musterte sie argwöhnisch und schickte sich an, ein Schild mit dem Vermerk »Praxis heute nur bis 14.00 Uhr geöffnet« an die Tür zu kleben. Dann drehte sie sich noch einmal demonstrativ nach Wanda um, als ob sie ihr signalisieren wollte, dass sie mit der Behandlung ihrer dermaßen offensichtlichen Störung bloß nicht bis zum Nachmittag
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