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Mein 24. Dezember

Mein 24. Dezember

Titel: Mein 24. Dezember
Autoren: Achim Bröger
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viel futtere, nimmt die Mama mir immer das Futter weg. Ob ich das mit ihr auch mal mache? An der Haustür wird's sowieso langweilig. Die übersehen und überhören mich heute. Gassi gehen fällt aus. Gut, ich marschiere in die Küche. Die Mama guckt verträumt vor sich hin. In der Hand hält sie ein Stück von dem guten Butterding. Heimlich nehme ich das große Stück Stollen zwischen die Zähne und vom Tisch. Wohin damit? Ganz einfach, es passt prima unter die Elternbetten hinter die Pakete. Die Mama freut sich bestimmt, dass sie nicht mehr seufzen muss. Mutterschutz war das. Im Augenblick seufzt Mama auch nicht. Sie sagt zu den Kindern: »Zieht euch um! Und der Hund muss gekämmt werden.« Bloß nicht. Das sollen sie schnell vergessen. Die Kämmerei ziept nämlich.
    Moment mal, ich glaube, dass ich was verstanden habe. Sie ziehen sich manchmal um, wenn sie weggehen. Wahrscheinlich gehen sie also weg . . . sozusagen Gassi. Und ich darf mit, denn ich soll ja noch gekämmt werden. Aber die Verwandtschaft kommt hierher, das ganze Familienrudel. Jetzt dämmert's mir. Klar . . . weil die Verwandtschaft kommt, geht meine Familie. Sonst wäre hier nicht genug Platz für die anderen.

    Nur, was soll der Baum? Wahrscheinlich kommt er auch mit. Vielleicht hat man meine Straßenbäume draußen abgehackt. Das wäre dann der Ersatzbaum und sie schmücken ihn, damit er schön aussieht. Aber warum wollen sie ihn anzünden? Keine Ahnung. Man kann die Menschen eben nicht ganz verstehen, tröste ich mich. Ich ziehe zur Küchentür um. Herrlich duftet es dort. Vor allem der große Vogel riecht. . . hm . . . wunderbar. Dazu kommt noch ein Geruch. Irgendeine besonders gute Wurst muss das sein. Wo steckt die Mama? Ach . . . ich höre sie im Badezimmer. Dass der Stollen verschwunden ist, hat sie noch gar nicht bemerkt. Die Küchentür und die Speisekammertür sind beide weit offen. Sehr nett. Also, schwupp, auf leisen Sohlen in die Küche und zur Speisekammer geschlichen. Da steh ich vor einer unglaublich prachtvollen Wurst. Ein Duft. . . zum Verlieben. Zum Auffressen herrlich. Das halte ich nicht aus. Die hole ich mir.

    Schon geschehen. Und jetzt husche ich unauffällig mit der Wurst im Maul über den Flur und suche uns ein gemütliches Plätzchen, meiner duftigen Wurst und mir. Keiner hat uns gesehen. Unter dem Wohnzimmersofa liege ich sehr gemütlich, die Wurst zwischen den Pfoten. Der Große hängt Sachen an den Baum, den er nachher anzünden möchte. Die Mama weiß das bestimmt und verbietet es ihm trotzdem nicht. Im Gegenteil, sie kommt rein und lobt ihn dafür, wie schön das alles aussieht. Verstehe ich nicht, aber die Wurst schmeckt. Naja . . . und das mit der Anzünderei kann er sowieso vergessen. Jetzt klopfen die Kinder an die Tür und fragen: »Wie lange dauert's denn noch?«
    »Na . . . eine halbe Stunde«, antwortet die Mama. Warum klopfen die Kinder plötzlich? Das tun sie sonst nicht. Egal. . . noch ein Happen und die Wurst ist aufgefuttert. Leider. Lecker war's. Ich verziehe mich an die frische Luft. Das ist gut nach dem Essen. Und vielleicht vergessen sie in der Zwischenzeit, dass sie mich eigentlich kämmen und bürsten wollen. Diese Tierquäler. »Wo kommst du denn her?«, fragt der Papa, als ich unter dem Sofa vorkrieche. Dumme Frage. Er sieht doch, wo ich herkomme. Ich verschwinde in Richtung Haustür. Und der Papa macht die Wohnzimmertür hinter mir zu. Im Flur flüstern die Kinder miteinander. Der Kleinste schleicht gerade zur Wohnzimmertür und guckt durchs Schlüsselloch. He . . . das gefällt mir gar nicht. Ich muss das Weggehen wohl verschieben. Jetzt renne ich zum Kleinsten am Schlüsselloch und belle. »Psst«, machen die Kinder, Ich bin aber erst ruhig, als sie alle drei im Zimmer von Klaus verschwinden.
    Da liegen noch mehr Päckchen. Und was tun die Kinder denn nun wieder Fürchterliches? Sie stellen sich nebeneinander. Ziehen jeder ein ganz ernstes Gesicht. Dann machen sie die Münder auf und geben ziemlich grässliche Töne von sich.
    Ich jaule entsetzt und will flüchten. Leider ist die Tür zu. »Stör uns nicht«, sagt Susanne. »Wir üben.« Die Überei klingt katastrophal und sehr unverständlich. Nach schlimmstem Jaulen. Irgendwas mit »Stille Nacht« kommt darin vor. Wenn die Kinder nur still wären!

    Aber im Gegenteil. Sie werden immer lauter.
    Da hilft nur eines. Ich muss noch lauter jaulen.
    So höre ich sie wenigstens nicht mehr.
    Hoffentlich schaffe ich das.
    Ich strenge mich wirklich
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