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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier
Autoren: Jakob Arjouni
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eine Abordnung Kleingärtner.«
    »Sie kennen keine Kleingärtner.«
    »Die vier wollten ein Rohr von Böllig zerstören. Sachschaden, nichts weiter.«
    »Was floß denn durch die Rohre?«
    »Chemieabfälle. Wie anderswo auch. Aber Kinder aus der Gegend bekamen seltsame Hautausschläge, und Diskussionen um die Firma Böllig waren im Gange. Die Kinder hatten in dem See gebadet, in den die Abwässer flossen. Es gab alle möglichen Initiativen, aber geändert hat das nichts. Meine Mandanten wollten was tun, um die Diskussion wieder anzukurbeln.«
    »Das ist ihnen gelungen.«
    »Tja, aber offensichtlich wissen sie selber nicht, was sie davon halten sollen.« Er kaute nachdenklich auf einer Tomatenscheibe.
    »Muß ein seltsames Gefühl sein. Man sprengt ein Betonrohr in die Luft, und am nächsten Tag steht in der Zeitung, ein Mensch ist erschossen worden.«
    »Wurde die Pistole gefunden?«
    »Nein.«
    »Wenn ich richtig verstanden habe, liegt der Fall so: Mitten in der Nacht jagen vier Leute ein Abflußrohr der Firma Böllig in die Luft, und ein paar Meter weiter kriegt zur gleichen Zeit der Firmenchef ein paar Kugeln in den Kopf. Für Sie ist da kein Zusammenhang, weil Ihre Mandanten so armselig aus der Wäsche schaun, wenn Sie sie in der Zelle besuchen. Aber ob Sie damit vor Gericht durchkommen? Viel Glück wünsche ich Ihnen. Und was soll ich dabei?«
    »Es fehlt der fünfte Mann. Nach Zeugenaussage waren fünf Personen am Anschlag beteiligt.«
    »Zeugen?«
    »Ein Camper am Seeufer, nicht weit von der Fabrik. Mit seiner Freundin. Er ist von der Detonation aufgewacht. Als er aus seinem Zelt stürzte, sah er fünf Leute davonlaufen.«
    »Und was sagen Ihre Mandanten dazu?«
    »Nichts. Sie wollen ihren Mann nicht verraten. Aber bei ihm liegt die Lösung, und deshalb will ich Sie engagieren. Ich habe heute im Gericht einen neuen Verhandlungstermin beantragt, damit Sie Zeit haben, den Mann zu finden. Genau eine Woche.«
    Ich drückte die Zigarette in den Aschenbecher.
    »Sie wollen einen Privatdetektiv. Warum mich? Ich bin Türke.«
    Seine kurzen Finger kratzten über den Handrücken.
    »Ich habe von Ihrer letzten Sache gelesen. Ich halte Sie für einigermaßen unbestechlich.«
    »Kommt auf die Summe an.«
    »Von der öffentlichen Meinung. Das müssen Sie sein, wenn Sie den Auftrag übernehmen.«
    Pause. Es brauchte gute drei Minuten, bis er die nächste Frage herauswürgte.
    »Wie kommen Sie zu diesem Beruf? Ich meine, als Türke…«
    »Ich bin Staatsbürger der Bundesrepublik.«
    »Ach, so?«
    Er nickte. Und als er sich jetzt vorbeugte, hatte er was Solidarisches in der Pupille.
    »Nicht leicht, diese verdammte Staatsbürgerschaft zu erlangen, wie?«
    »Kein Problem für mich. Ich mähe meinen Rasen, lache bei Karneval und kann gleichzeitig Bier trinken und Skat spielen. Irgendwo hinter München liegt Afrika, da wohnen die Neger. Bei der Sportschau möchte ich nicht gestört werden. Meine Couchgarnitur ist pünktlich abbezahlt. Und im Grunde meines Herzens bin ich ein tanzender Schlesier.«
    Einen Augenblick lag ihm das unvermeidliche ›das meinen Sie doch nicht ernst‹ auf der Zunge, aber er ließ es liegen und lachte nur geziert.
    »Im Ernst, Herr Kayankaya, wie lange leben Sie schon in Deutschland?«
    »Meine Mutter ist bei der Geburt gestorben. Mein Vater hat mich nach Deutschland mitgenommen. Lange hat er es auch nicht gemacht, und so wurde ich von einer deutschen Familie adoptiert. Seit ich denken kann, bin ich in diesem Land.«
    Er wiegte den Kopf.
    »Verzeihen Sie. So eine Geschichte ist interessant.« Ich steckte mir eine Zigarette an.
    »Ach, ja?« Ich rauchte.
    »Da hätten Sie erst einmal hören sollen, was ich meinem letzten Klienten erzählt habe.«
    Ich stieß Rauchringe in die Luft.
    »Wie hat man Ihre Mandanten gefaßt?«
    »Eine der vielen Fragen in dem Fall.«
    »Soll heißen?«
    »Das soll heißen, die Polizei hat drei Tage nach dem Anschlag die Wohnung meiner Mandanten gestürmt. Eine größere Fahndung fand nicht statt.«
    »Könnte einer geredet haben.«
    »Ja…«
    »Könnte der fünfte Mann gewesen sein?«
    »Vielleicht…«
    »Hat die Polizei sich geäußert, wie sie zu dem schnellen Erfolg gekommen ist?«
    »Der verantwortliche Kommissar, Kessler, hielt sich zurück. Die Täter hätten auf Grund einer rasch organisierten Fahndung festgenommen werden können.«
    »Und von dem fünften Mann kein Wort?«
    »Nein.«
    »Wird nach ihm gefahndet?«
    »Das nehme ich an.«
    »Warum?«
    »Na, er ist
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