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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier
Autoren: Jakob Arjouni
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Sie?«
    »Neunzehn.«
    »Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt?«
    »Ich war seine Sekretärin.«
    »Aha.«
    Henrys Atem wurde hörbarer.
    »Mochten Sie ihn?«
    Mit einem Knall landete das Glas auf dem Cocktailtischchen. Eine Ader wurde an ihrer Schläfe sichtbar.
    »Es reicht! Machen Sie, daß Sie rauskommen.«
    »Haben Sie Kinder?«
    Blei legte sich auf meine Schulter.
    »Kommen Sie, Freund, ich bringe Sie zur Tür.«
    Ich drehte den Kopf: »Finger weg.« Und zu ihr: »Haben Sie welche?«
    »Einen Sohn.«
    »Wie alt ist er? Was macht er?«
    »Siebzehn Jahre. Seit Geburt behindert und in einer Anstalt. Reicht das?!«
    Sie sprang auf und stand wie eine Furie über mir. Das behinderte Kind war ein Kratzer in der solariumbraunen Fassade aus schnellen Autos, teuren Partys und gutaussehenden Tennislehrern. Wahrscheinlich wäre hier jedes Kind ein Kratzer gewesen.
    »Ihr Mann arbeitete mit anderen Firmen zusammen?«
    Sie stockte. Es war nicht die Frage, die mich endgültig vor die Tür gesetzt hätte.
    »Manchmal.«
    »Gab es zu einigen intensivere Beziehungen?« Sie raste durch den Raum.
    »Mein Gott! Natürlich! Mein Mann hatte mit vielen Leuten zu tun. Schauen Sie in den Büchern nach. Gehen Sie zu Meyer, er ist der Geschäftsführer.«
    Ich fummelte die letzte Zigarette aus dem Päckchen.
    »War Ihr Mann Alleininhaber von Chemie Böllig?«
    »Ich hielt dreißig Prozent.«
    »Jetzt haben Sie hundert.«
    Ich rauchte, und die Witwe lehnte an der Glaswand und betrachtete ihre nassen Tannenbäume. Sie sah immer noch sehr gut aus. So gut, daß ich mit einem Ruck aufstand. Henry erhob sich ebenfalls, in seinem Mundwinkel klebte ein Zigarillo.
    »Den Geschäftsführer Meyer finde ich unten in der Fabrik?«
    »Ja.«
    »Gut. Vorerst ist das alles.«
    Wir verabschiedeten uns. Draußen nieselte es. Von der Auffahrt aus schätzte ich die Entfernung bis zum Rohr. Es war ein ziemliches Stück, und ich fragte mich, warum fünf Leute, die gerade verbotenerweise ein Rohr gesprengt haben, stehenbleiben und auf den Firmenchef warten.
    »Der Herr Meyer? Zimmer achtundzwanzig.«
    Ich stieg die Treppen hinauf und klopfte. Jemand nieste und rief dann »Herein«. Ich öffnete die Tür und stand im Vorzimmer. Die Sekretärin hinter dem Schreibtisch hatte die Nase ins Taschentuch gedrückt und sah mich wie ein längst ausgestorbenes Reptil an; eine Frau um die Zwanzig mit blonden Dauerwellen, Sommersprossen und an den Ohren rosa Herzchen. Bestimmt der Jugendtraum aller Söhne vom Land. An der Wand hinter ihr klebte eine Sammlung Postkarten.
    »Bin ich richtig bei Meyer?«
    »Sind Sie angemeldet?«
    »Ich komme von Frau Böllig.«
    »Tja… ich werde mal fragen.«
    Mit einer Hand drückte sie auf die Taste der Sprechanlage, mit der anderen bearbeitete sie weiter ihre Nase und betrachtete mich mißtrauisch. Endlich meldete sich jemand.
    »Herr Meyer, jemand will Sie sprechen. Er sagt, er käme von Frau Böllig… weiß ich nicht… kommt von außerhalb… nein, überhaupt nicht von hier, verstehen Sie?… gut, mach ich, Herr Meyer.« Sie sah auf.
    »Bitte warten Sie. Herr Meyer ist noch in einem Gespräch.«
    Ich setzte mich aufs Besucherbänkchen. Draußen wurde es dunkel, und die Dorfprinzessin schaltete das Licht ein. Als ich meine Taschen vergebens nach Zigaretten durchkramte, beobachtete sie mich von der Seite, räumte ihr Päckchen HB in die Schublade und sah wieder in ihre Papiere. Schließlich öffnete sich die Tür, und Herr Meyer sah um die Ecke.
    »Ja?!«
    Ich stand auf.
    »Kayankaya von der Staatsanwaltschaft. Ich ermittle im Fall Böllig. Aus mehreren Gründen muß ich die Geschäftsbücher einsehen. Frau Böllig meinte, ich solle mich an Sie wenden.«
    Bei dem Wort Staatsanwaltschaft klappte der Prinzessin die Kinnlade runter. Meyer biß verlegen auf seine Lippen.
    »Staatsanwaltschaft? Aha. Ich dachte, das hätte mal ein Ende? Die Mörder sind doch hinter Schloß und Riegel, oder? Na, ja, wenn’s denn sein muß. Eigentlich habe ich ja Feierabend, aber…«
    Er ging mir bis zur Schulter, war mager und sehnig, hatte einen blauen Cordanzug an und trug Zehnzentimeter-Absätze. Er sah aus wie gebügelt. Wenn er sprach, bewegten sich seine Ohren rhythmisch mit. An seinem Arm hing eine elektronische Zeitansage, die er immer wieder zärtlich den Arm hoch und runter streifte.
    »Tut mir leid, Herr Meyer, ich tu auch nur meine Pflicht.«
    Das war ein Satz, der ihm gefiel.
    »Tja, wie wir alle. Kommen Sie, Herr… wie war der
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