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Medea. Stimmen

Medea. Stimmen

Titel: Medea. Stimmen
Autoren: Christa Wolf
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bereit. Sie ist ein Mordsweib, und mit meiner Abneigung gegen sie stieg meine Bewunderung. Oistros also. Ein Steinhauer. Götter.
    Fast jedem im Rat hat Agameda leichthin eine Bemerkung hingeworfen, wie zufällig und nebenbei, einen Namen, einen Verdacht, der mit Medea zusammenhing, an dem er zu knabbern hatte und der ihn unfähig machte, irgend etwas zu ihren Gunsten auch nur zu denken, wie ich. Als man sie dann endlich hereinführte, empfand ich nur Wut. Vor allen Leuten war jetzt ich der betrogene Mann und nicht sie die verlassene Frau, wie es in der Ordnung gewesen wäre. Recht geschah ihr, der Hure.
    Verbannung.
    Ja. Es war nicht zu hoch gegriffen. Erbleichte sie? Ich habe sie nicht angesehen.
    Und die Kinder?
    Da regte sie sich, suchte wieder meine Augen, sollte sie aber nicht finden.
    Ohne die Kinder, sagte Kreon.
    Es war das einzige Mal, daß er selber sprach. DieKinder des Jason würden in Korinth auf die ihnen geziemende Weise aufgezogen. Im Palast.
    Da sah ich sie wanken, aber ehe die Wachen nach ihr greifen konnten, hatte sie sich gefangen.
    Zum Erstaunen aller setzten Agameda und Glauke sich dafür ein, ihr die Kinder mitzugeben. Sie hatten unterschiedliche Gründe dafür. Obwohl, wenn ich es recht bedenke, einen Grund hatten sie beide gemeinsam: Sie wollten nicht, daß die Söhne der Medea irgendwann einmal als Anwärter auf den Thron von Korinth in Frage kamen. Wer sagt denn, daß ich dieser armen Glauke, wenn sie meine Frau sein wird, ein Kind machen werde. Es ist ja nicht gerade überschäumende Lust, die mich anfällt, wenn ich durch ihre unförmigen schwarzen Kleider ihre Knochen spüre. Ich sah den abschätzigen Blick der Agameda von mir zu Glauke wandern, ich sah, daß Glauke diesen Blick sah und ihn genauso verstand wie ich, und dann hörte ich sie reden, mit leiser Stimme zwar, aber daß sie überhaupt sprach in dieser Männerversammlung, war unerhört.
    Man solle der Mutter die Kinder mitgeben, sagte sie. Man solle nicht unnötig grausam sein. Das war ihre Meinung, da bin ich sicher. Nur daß hinter dieser Meinung auch die Ungewißheit stand, ob sie selbst fähig sein werde, Korinth einen Erben zu schenken, und daß erst diese Unsicherheit ihr Mut machte, gegen die Grausamkeit zu sprechen. Ich begann zu ahnen, daß diese Glauke vielleicht doch keine so bequeme Frau für mich werden würde, wie ich es mir erhofft hatte, jedenfalls war ich abgelenkt und achtete nicht auf den Satz, mit dem Akamas in nachsichtigem Ton das Ansinnen der beiden Frauen abwehrte, so wie man Kindern zu ihremBesten etwas abschlägt, um das sie unvernünftigerweise gebeten haben. Dann gab es einen kleinen, von wenigen beachteten Zwischenfall: Leukon, der spät gekommen war und sehr mitgenommen aussah, erhob sich von seinem Platz nahe der Tür und ging einfach hinaus. Es war unglaublich, was er sich da leistete, eine Mißachtung des Königs und aller Regeln. Anscheinend wollte niemand davon Notiz nehmen.
    Medea wurde hinausgeführt. Der König und sein Gefolge verließen den Saal. Steife Nacken, verschlossene Gesichter. Ich folgte mit Glauke. Sie weinte. Als wir den Palasthof überquerten, zum Brunnen kamen, begann sie zu zucken, ihre Arme fuhren durch die Luft, sie brach neben mir zusammen, Schaum vor dem Mund. Agameda war sofort bei ihr, als hätte sie auf den Anfall gewartet. Mir barst der Schädel. Was steht mir da bevor.
    Ich lief durch die Stadt, die Leute wichen mir aus, plötzlich stand ich vor dem kleinen Haus an der Mauer. Lyssa wollte mir den Einlaß verwehren, Medea sagte: Laß ihn. Sie fragte: Was willst du noch. Ihr Ton brachte mich auf. Ich wollte, daß sie ihr Unrecht einsah. Ich wollte, daß sie zugab: Ich konnte ihr nicht helfen. Sie schnürte ihr Bündel. Sie band sich ein Tuch um den Kopf. Sie sagte: Schade um dich, Jason.
    Das war zuviel. Das mußte ich mir nicht bieten lassen. Ich konnte auch anders. Meiner Wut ihren Lauf lassen. Mich an sie heranmachen und sie gegen die Wand drängen. Ungestraft beleidigt man Jason nicht. Daß sie merkte, Jason kann einen schönen männlichen Zorn in sich wachsen lassen über die Listen der Weiber, er kann sehr stark werden, wenn er das weiche Fleisch,in das er sich verkrallt hat, nachgeben fühlt unter sich, wenn er in den Augen der Frau endlich etwas wie Überraschung sieht, ehe sie die Augen schließt und den Kopf abwendet und das Unvermeidliche geschehen läßt. Ja. Ich habe verstanden. So ist es gemeint. Wir sollen die Weiber nehmen. Wir sollen ihren Widerstand
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