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Mathe ist doof

Mathe ist doof

Titel: Mathe ist doof
Autoren: Thomas Royar
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zu tun, wie wir denken und damit, wie wir versuchen, dieses Denken in kommunizierbare Formen zu bringen.

4.             Begriffe sind nicht leicht zu greifen
     
    Der Patient kommt aufgebracht zum Arzt. „Das Medikament, das Sie meiner Frau verschrieben haben, hat ihren Zustand nur noch ver schlimmert!“ „Haben Sie es Ihr denn genau nach Anweisung gege ben?“, will der Arzt wissen. „Natürlich! Ich habe meine Frau vorher sogar ganz gründlich durchgeschüttelt, so wie es auf der Flasche stand, aber danach ging es ihr gar nicht gut!“.
    Was empfinden wir an diesem Kalauer amüsant? Dass jemand den Hinweis „vor Gebrauch schütteln“ falsch versteht und auf das falsche „Objekt“ bezieht? Liegt der Fehler dann nicht an der ungenauen An weisung, bei der es heißen müsste „das Medikament schütteln?“. In Wirklichkeit käme uns eine solche Formulierung reichlich seltsam vor. Wir reagieren auf zu ausführliche Erläuterungen empfindlich, wenn sie bei uns den Eindruck erwecken, dass uns der oder die Er klärende als geistig minderbemittelt einstufen. Wer je stundenlang versucht hat, ein Computerproblem zu lösen und dann einen Exper ten befragt hat, um zunächst die Frage zu hören „ist denn der Stecker in der Steckdose eingesteckt?“, weiß, wie sehr wir neunmalkluges Gehabe hassen. Dass umgekehrt bei entsprechenden Computerhot lines Geschichten von Kunden kursieren, deren Problem tatsächlich durch Einstecken des Netzsteckers gelöst werden konnte, zeigt, dass wir auch übermäßige Begriff s stutzigkeit in keiner Weise schätzen.
    Dabei ist ein „Begriff“ etwas äußerst komplexes und wesentlich schwieriger zu definieren, als man auf den ersten Blick glauben möchte.
    Wir alle können uns unter dem Begriff „Haus“ etwas vorstellen. Aber diese Vorstellungen können sich erheblich unterscheiden. Da bei geht es nicht nur um Größe und Aussehen (von der Hütte zum Wolkenkratzer), sondern auch um die weitere Bedeutung (als Ge bäude, als Zuhause, als Behausung im weitesten Sinn, als ver binden der Rahmen, als Bezeichnung einer Institution, als konkreter Ort u. a.). Die Bedeutung erschließt sich dabei stets aus dem Zu sammen hang:
    Das Haus neben der Bäckerei; nach Hause kommen; das Haus der Schnecke; das gemeinsame Haus der Kirche; in unserem Hause; er ist im Haus (und nicht im Garten); sie hat Haus und Hof verspielt; die Spielfiguren stehen sicher im „Haus“; heute ist volles Haus; das „Haus“ der Vierecke (damit meint man in der Mathematik die syste matische Zusammenstellung aller möglicher Viereckstypen); auch in zusammengesetzten Wörtern bedeutet das Wort unterschiedliches: Hausarrest, Hausverbot, Hausfrau, Haustür, Hausboot, Haustier, Hausierer, und so weiter.
    Eine solche Betrachtung lässt sich zu nahezu jedem Begriff anstellen. Wir assoziieren viele mögliche Bilder und Zusammenhänge, und derjenige Kontext, in dem der Begriff gebraucht wird, stößt auf ent sprechendes inneres Echo. Unsere Begriffe sind nicht durch das Auswendiglernen von Definitionen in uns entstanden, sondern durch vielfältige Erfahrungen, Handlungen, Erlebnisse, Versuche und Irr tümer – also durch ein echtes und nachhaltiges Lernen. Dazu haben wir auch die jeweilige Umgebung mitgelernt, innerhalb derer uns der Begriff begegnet ist. Wenn wir nun diesen Begriff verwenden, schwingen diese Nebenbedingungen immer im Hintergrund mit.
    Ein Begriff wird durch vielfältige Verknüpfungen für unser Gehirn auch leichter nutzbar: um aktiviert zu werden, muss der Begriff an mehreren „Stationen“ verfügbar sein. Unser Gehirn arbeitet nicht linear wie etwa eine Stromleitung, sondern vernetzt. Erst wenn meh rere „Schalter betätigt“ werden, kann mit der entsprechenden Infor mation weitergearbeitet werden. Dabei ist es eben nicht immer der gleiche „Schalter“, sondern viele ähnliche, die wiederum die Vielfalt eines Begriffes nutzen.
    Ganz hilfreich ist in diesem Zusammenhang der Begriff der „Redun danz“. Redundanz ist eine Größe, die die Ähnlichkeit von Informati onen beschreibt. Je größer der Neuigkeitsgehalt einer weiteren In formation ist, desto weniger redundant ist diese.
    Beispiel:
    Die Information „Paris ist die Hauptstadt von Frankreich“ dürfte für Sie vollständig redundant sein; die Information „Banjul ist die Hauptstadt von Gambia“ eher nicht. Allerdings ist nun auch die In formation „Die Stadt Banjul liegt in Afrika“ redundant – aber nur, falls Ihnen klar war,
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