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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow
Autoren: Maria Beaumont
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und mich vom Sofa erhebe. »Nicht wahr, Mary?«
    »Mein Gott, so spät ist es schon?«, kreischt Mary, die den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat. »Allerhöchste Zeit, dass ich meinen Nudelauflauf aus dem Backofen hole.« Gleich darauf rauscht sie an meiner Mum vorbei und zur Tür hinaus, nicht ohne mir noch zuzurufen: »Amy, ruf mich doch später noch mal wegen dieser Chose an.«
    Jetzt sind meine Mutter und ich unter uns. Ich betrachte sie näher. Meine Güte, was hat sie überhaupt an?
    Mum ist ein Tory. Dabei beschränkt sich ihre Loyalität nicht allein auf die Parteimitgliedschaft. Würde sie etwas von Tattoos halten, würde sie sich bestimmt das Konterfei von Norman Tebbitt auf den Oberschenkel tätowieren lassen. (Nicht zu vergessen Maggie - die würde sogar einen Platz auf dem Unterarm bekommen.) Da es blanker Unsinn wäre, ihre Loyalität mittels Körperbemalung zu demonstrieren, weicht sie auf Kleidung aus. Nach dem Niedergang von Lord Tebbitt hat sie sich dem Ann-Widdecombe-Flügel innerhalb der Partei angeschlossen und dementsprechend ihren Kleidungsstil angepasst. Sie trägt Kutten - die einzig passende Bezeichnung dafür in denen sie, wie mein bester Freund Ant sagen würde, aussieht wie »ein zentnerschwerer Kartoffelsack aus Chintz«. Ich würde es ja gerne freundlicher ausdrücken ... aber mir fällt nichts ein.
    Dennoch ist heute Abend etwas anders. So ist zum Beispiel ihr Makeup noch eine Spur mehr daneben als sonst. Und dann das Outfit. Eine taillierte Jacke samt Rock. Knallgelb mit schwarzer Paspelierung. Und dann - mein Gott - ihre Knie. An sich ist an ihren Knien nichts auszusetzen. Merkwürdig ist nur, dass ich mich nicht entsinnen kann, sie jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Ich mache einen Schritt zurück und mustere sie von oben bis unten. Die neue Frisur, das Kostüm, die Rocklänge, die hohen Absätze - sie ähnelt ein wenig Edwina Currie.
    Mir ist schleierhaft, was ich davon halten soll. Ohne Zweifel steckt da irgendein subtiler Richtungswechsel in der Politik dahinter - vielleicht gibt es ja an der Spitze einen Konkurrenzkampf, von dem ich nichts weiß. Wie auch immer, es beunruhigt mich. Mist. Das kann ich momentan überhaupt nicht gebrauchen.
    »Du siehst klasse aus, Mum«, sage ich.
    »Tja, ich fühle mich aber furchtbar«, entgegnet sie.
    »Was ist passiert?«
    »Was für eine schreckliche Frau«, sagt sie mit lauter Stimme, während sie ans Fenster geht, die Vorhänge aufzieht und das Schiebefenster so weit wie möglich aufdrückt. »Seit wann wohnt die denn hier? Ich dachte, unter dir wohnen diese seltsamen Beatniks.«
    »Äh ...ja, die sind vor ein paar Wochen ausgezogen.«
    »Irgendetwas ist komisch an ihr, Amy. Ich kann zwar nicht genau sagen, was, aber ...«
    Wie auf ein Stichwort hin dröhnt in diesem Moment unten ein hämmernder Bass los, der sich durch die Bodendielen seinen Weg nach oben sucht.
    »Ich wusste ja gleich, dass etwas mit ihr nicht stimmt«, sagt Mum. »Diese Beatniks haben dasselbe schreckliche Popgedudel gehört.«
    (Übrigens meint sie keine neue Entwicklung im Bereich Trance oder Garage oder was auch immer - meine Mutter bezeichnet nämlich jeden als »Beatnik«, der moderner ist als Elgar.)
    »Mach dir keine Gedanken wegen Mary«, sage ich in dem verzweifelten Bemühen, die Unterhaltung voranzutreiben, damit sie bald wieder Leine zieht. »Was ist mit dir? Und was ist mit Dad?«
    Mum sieht mich an, und ihre Unterlippe fängt an zu zittern. Dann holt sie tief Luft und sagt: »Amy, du darfst dich jetzt bitte nicht aufregen, aber... dein Vater hat eine Affäre.«
    Ich bekomme einen Lachanfall. Zum ersten Mal seit... oh, seit einer Ewigkeit werfe ich den Kopf nach hinten und lache schallend los. Ich kann nicht anders. Und es fühlt sich großartig an. Der Druck lässt nach, die Anspannung fällt ab. Die Vorstellung, dass mein Vater eine Affäre haben soll, ist aber auch einfach das Komischste ...
    »Amy, das ist nicht komisch«, sagt meine Mutter in beleidigtem Ton, bevor sie in Tränen ausbricht.
    Sofort eile ich an ihre Seite und schnappe mir auf dem Weg eine Hand voll Kleenex-Tücher.
    »Tut mir Leid, Mum, aber Dad und eine Affäre ... komm schon.«
    »Es ist aber wahr«, gibt sie schniefend zurück. »Er hat eine ... andere.«
    »Woher willst du das wissen? Hast du ihn in flagranti erwischt? Hat er es dir gebeichtet?«
    »Nein, aber er benimmt sich äußerst seltsam. Er ist ständig außer Haus, ohne mir Bescheid zu geben, wohin er geht, im Gegensatz
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