Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
nicht mehr weiter konnten.
    Aber in dieser Nacht sagte Cojote zu Hiroko, als er glaubte, daß niemand zuhörte: »Roko, du mußt diese Kinder nach draußen bringen und ihnen die Welt zeigen. Auch wenn es nur unter der Dunsthaube ist. Die leben hier unten, um Gottes willen, wie Maulwürfe im Bau.« Danach war er wieder fort, niemand wußte wohin. Fort auf einer seiner geheimnisvollen Reisen in jene andere Welt, die über sie gespannt war.
    Einige Tage kam Hiroko ins Dorf, um sie zu unterrichten. Das waren für Nirgal die allerbesten Tage. Sie führte sie immer zum Strand hinunter; und mit Hiroko zu gehen war so, als ob man von einer Gottheit berührt würde. Es war ihre Welt - die grüne Welt innerhalb der weißen -, und sie wußte alles darüber; und wenn sie da war, pulsierten die zarten Perlfarben von Sand und Kuppel in beiden Farben der Welt zugleich, als ob sie sich davon frei machen wollten, was sie festhielt.
    Sie saßen auf den Dünen und beobachteten, wie die Vögel am Ufer dicht über die Oberfläche flatterten und piepsten, während sie am Strand auf und ab jagten. Möwen kurvten über den Köpfen, und Hiroko stellte ihnen Fragen, wobei ihre dunklen Augen fröhlich zwinkerten. Sie wohnte am Teich mit einer kleinen Schar ihrer engen Freunde, Iwao, Rya Gene, Evgenia, alle in einem kleinen Bambuskiosk in den Dünen. Und sie verbrachte viel Zeit damit, andere versteckte Zufluchtsstätten rund um den Südpol zu besuchen. Darum mußte sie immer über die Neuigkeiten im Dorf auf dem laufenden sein. Sie war eine schlanke Frau, für eine Issei groß und in Kleidung und Bewegung so sauber wie die Strandvögel. Natürlich war sie alt, unmöglich alt wie alle Issei; aber sie hatte etwas, das sie jünger erscheinen ließ als sogar Peter oder Kasei - wirklich nur ein klein bißchen älter als die Kleinen, als ob alles in der Welt vor ihr neu für sie wäre und sie darauf drängte, es in alle seine Farben zu zerlegen.
    »Schaut auf das Muster, das diese Muschel bildet! Die bunte Spirale, die sich bis ins Unendliche einwärts krümmt. Das ist die Gestalt des Universums selbst. Es gibt einen konstanten Druck, der das Muster vorantreibt. Eine der Materie innewohnende Tendenz zur Entwicklung in immer komplexere Formen. Das ist eine Art von Gestaltgravitation, eine heilige grünende Kraft, die wir Viriditas nennen. Das ist die antreibende Kraft im Kosmos. Leben, wie ihr seht. Wie diese Fliegen und Napfschnecken und der Krill - obwohl diese speziellen Krills tot sind und nur den Fliegen nützen. Wie wir alle.«
    Sie schwenkte die Hand wie eine Tänzerin. »Und weil wir lebendig sind, muß man sagen, daß auch das Weltall lebt. Wir sind dessen Bewußtsein wie auch unser eigenes. Wir steigen aus dem Kosmos auf und sehen das Geflecht seiner Strukturen; und das berührt uns als schön. Und dieses Gefühl ist das wichtigste im Universum, seine Kulmination, so wie die Farbe der Blume an einem feuchten Morgen. Es ist ein heiliges Gefühl; und unsere Aufgabe in dieser Welt ist, alles zu tun, was uns möglich ist, um es zu hegen. Und ein Weg dazu ist die Verbreitung von Leben überall. Ihm da zur Existenz zu verhelfen, wo es zuvor nicht gewesen ist - wie hier auf dem Mars.«
    Dies war für sie der erhabenste Liebesakt; und wenn sie darüber sprach, empfanden die Kinder die Liebe, auch wenn sie nicht alles verstanden. Wieder ein Anstoß, wieder eine gewisse Wärme in der Hülle von Kälte. Hiroko berührte sie beim Sprechen, und sie gruben nach Muscheln, während sie lauschten. »Eine Schlamm-Muschel! Antarktische Napfschnecke. GlasSchwamm. Seid vorsichtig! Er kann euch schneiden.« Nirgal fühlte sich glücklich, wenn er sie bloß anschaute.
    Und eines Morgens, als sie von ihrem Wühlen aufstanden, um noch weiter am Strand umherzuschweifen, erwiderte sie seinen Blick, und er verstand ihren Ausdruck. Es war genau der gleiche Ausdruck wie auf seinem Gesicht, wenn er sie anschaute. Das spürte er in seinen Muskeln. Also war auch sie glücklich! Das war berauschend.
    Er hielt ihre Hand, als sie am Strand dahingingen. Als sie sich hinknieten, um wieder eine Muschelschale aufzuheben, sagte sie: »Das ist in gewisser Weise einfache Ökologie. Nicht viele Spezies, und die Nahrungsketten sind kurz. Aber so reich, so schön.« Sie prüfte mit der Hand die Wassertemperatur im Teich. »Siehst du den Nebel? Das Wasser muß heute warm sein.«
    Inzwischen waren sie und Nirgal allein. Die anderen Kinder liefen um die Dünen herum oder am Ufer auf und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher