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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
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und nach Lookout Point trampen. Ein anderer würde ihm folgen. Und was da draußen geschah, könnte seine Spur für immer hinterlassen. Aber Michel würde es nie erfahren.
    Und dann verließen sie Antarctica, und das Team war ausgesucht. Es waren fünfzig Männer und fünfzig Frauen - fünfunddreißig Amerikaner, fünfunddreißig Russen und dreißig aus gemischten internationalen Verbündeten, je fünfzehn von einem der zwei großen Partner eingeladen. Es war schwierig gewesen, eine so vollkommene Symmetrie einzuhalten, aber das Auswahlkomitee hatte darauf bestanden.
    Die Glücklichen flogen nach Cape Canaveral oder Baikonur, um in die Umlaufbahn aufzusteigen. Inzwischen kannten sie sich recht gut und zugleich doch nicht so gut. Sie waren ein Team, dachte Michel, mit festen Freundschaften und etlichen Gruppenzeremonien, Ritualen, Bräuchen und Tendenzen. Und zu diesen Tendenzen gehörte ein Instinkt, sich zu verstecken, eine Rolle zu spielen und das wahre Selbst zu verkleiden. Vielleicht war das einfach die Definition von dörflichem oder sozialem Leben. Aber Michel schien es noch schlimmer zu sein. Niemand hatte sich zuvor derart streng bemühen müssen, sich in ein Dorf einzufügen. Und die radikale Trennung von öffentlichem und privatem Leben war neu und fremd. In ihnen war jetzt ein gewisser konkurrierender Unterstrom eingeprägt, ein ständiges subtiles Gefühl, daß jeder für sich allein war und daß jeder im Fall einer Schwierigkeit von den übrigen verlassen und aus der Gruppe verbannt werden könnte.
    Damit hatte das Auswahlkomitee eines der größten Probleme geschaffen, die es gehofft hatte zu verhindern. Einige Leute waren sich dessen bewußt; und natürlich sorgten sie dafür, daß zu den Kolonisten der bestqualifizierte Psychiater gehörte, den sie sich vorstellen konnten.
    Also schickten sie Michel Duval.

Z uerst war es wie ein Druck auf der Brust. Dann wurden sie in ihren Sesseln nach hinten geschoben, und eine Sekunde lang war der Druck recht vertraut: Ein Ge, die Schwerkraft, die sie nie wieder erleben würden. Die Ares hatte die Erde mit 28000 Kilometern in der Stunde umkreist. Einige Minuten lang beschleunigten sie. Der Schub der Raketen war so stark, daß ihre Sicht unscharf wurde, als sich die Hornhaut abflachte und das Atmen anstrengend wurde. Bei 40000 Stundenkilometern war Brennschluß. Sie waren von der Erdanziehung frei und nur noch im Sonnenorbit.
    Die Kolonisten saßen in den Beschleunigungssesseln und zwinkerten, ihre Haut rötete sich, und sie hatten Herzklopfen. Maya Katarina Toitovna, die offizielle Leiterin des russischen Kontingents, schaute sich um. Die Leute wirkten benommen. Wenn man Besessenen das Objekt ihrer Begierde gibt, was fühlen sie dann? Das ist wirklich schwer zu sagen. In gewissem Sinne war ihr Leben zu Ende. Aber etwas anderes, irgendein anderes Leben, hatte endlich, endlich begonnen... Auf einmal voll so vieler Emotionen war es unmöglich, nicht verwirrt zu sein. Es war eine Interferenzerscheinung, manche Gefühle waren verschwunden, andere verstärkt. Maya schnallte sich von ihrem Sitz los und merkte, daß ihr Gesicht durch ein Grinsen verzerrt wurde. Und auf den Gesichtern ringsum sah sie dasselbe hilflose Grinsen - bei allen außer Sax Russell, der gleichgültig wie eine Eule war und blinzelte, als er die Datenangaben auf den Computerschirmen des Raums überflog.
    Sie schwebten gewichtslos in der Kabine herum. 21. Dezember 2026: Sie bewegten sich schneller als sich je ein Mensch bewegt hatte. Sie waren unterwegs. Es war der Beginn einer neunmonatigen Reise - oder einer Reise, die den Rest ihres Lebens dauern würde. Sie waren auf sich allein gestellt.
     
    Die für die Steuerung der Ares Verantwortlichen zogen sich an die Kontrollkonsolen und gaben Anweisung, seitliche Haltungsraketen zu feuern. Die Ares fing an, sich um ihre Achse zu drehen und stabilisierte sich bei vier Umdrehungen pro Minute. Die Kolonisten sanken zu Boden und standen in einer Pseudo sch werkraft von 0,38 Ge, sehr nahe der, die sie auf dem Mars fühlen würden. Viele Mannjahre an Tests hatten gezeigt, daß man dabei recht gesund würde leben können, und so sehr viel vorteilhafter als Gewichtslosigkeit, daß man die Rotation des Schiffs der Mühe für wert erachtet hatte. Und es war ein großartiges Gefühl, dachte Maya. Es gab genug Zug, um ziemlich leicht die Balance halten zu können, erzeugte aber kaum irgendeinen Eindruck von Gepreßtsein. Es entsprach vollkommen ihrer Stimmung. Sie
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