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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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überaus hämisch zu grinsen. Kein einziges Wort war über seine Lippen gekommen, die an diesem Tage weiß und nicht rot waren. Madame Sophie stand wie ein Ladestock neben ihm und sah mit verkniffenem Gesicht zu, wie er mir die hundert Centimes zurückgab.
    Patsch, klopf, patsch, klopf ...

4
    „Denn gerade mit den schönsten Dingen
    treibt die Zeit besonders gerne ihren Spott ...“
    Pierre Corneille , Stances

    Die Kirche von Rennes-le-Château war sehr alt. 1059 war sie erstmals urkundlich erwähnt und Maria Magdalena geweiht worden. Es roch feucht und friedhofsartig darinnen, obendrein pfiff und zog es aus allen Ritzen, und an jedem Sonntag nahm auch ein halbes Dutzend Mäuse an der Heiligen Messe teil. Zur Freude der Dorfkinder huschten sie geschäftig und wieselflink von der Sakristei zum Altar, hielten dort kurz inne, um sich unerschrocken ihre rosafarbenen Schnäuzchen ein wenig vom Weihrauch umnebeln zu lassen. Dann trippelten sie äußerst selbstbewusst, die empörten Blicke der älteren Kirchgänger ignorierend, den gleichen Weg zurück. Längst wussten die klugen Tiere, dass ihnen während des Gottesdienstes kein Leid geschah, und noch vor der Präfation waren sie allesamt auf wundersame Weise verschwunden. Als ausgesprochene Feinschmecker stürzten sie sich auf die alten Briochekrümel, die wir in der Kirche auslegten. Dass sie dabei geflissentlich all die winzigen grünen Giftkügelchen, die wir geschickt unter die Kuchenreste mischten, verschmähten, ließ Antoine, unseren Kirchendiener, sich verzweifelt das spärliche Haar raufen. Einige Mäuse verstanden es sogar, an die Speck- und Käsestückchen in den ausgelegten Fallen zu kommen, diese mit spitzen Zähnchen seitlich herauszuziehen und zu fressen, ohne sich dabei in Gefahr zu bringen.
    Nun war es so, dass das Geld aus Carcassonne nicht langte, um nach dem Pfarrhaus auch das Gotteshaus zu renovieren. Zwar spendeten die Gemeindeglieder, aber die Zeiten waren zu schlecht, als dass rasch größere Summen zusammengekommen wären. Man musste sich in Geduld fassen.
    Bérenger Saunières Passion war das Predigen, die wichtigste seiner Leidenschaften nach dem Lesen. Man hätte an manchen Sonntagen eine Nadel fallen hören, so still waren die Leute, wenn er ihnen mit seiner kräftigen Männerstimme sagte, was sie zu denken und zu glauben hatten. Nun könnte man einwerfen, dass die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Schäfchen vielleicht damit zu tun hatte, dass sie gebannt die baufällige Kanzel anvisierten, statt auf seine Worte zu achten. Ich glaube aber nicht, dass auch nur einer aus der Gemeinde ernsthaft befürchtete, der neue Abbé könnte abstürzen, während seiner gewaltigen, völlig unkatholisch langen Sonntagspredigten.
    An einem strahlenden Herbstsonntag im Oktober jedoch, lauschten sie den Worten von der wackligen Kanzel herab besonders erstaunt, als er mit donnernder Stimme rief: „Hört auf meine Worte, Brüder und Schwestern von Rennes-le-Château! Die Republikaner sind die Feinde der katholischen Kirche! Ihre Parolen sind nichts als Propaganda, die die Wahrheit geschickt verfälscht. Diese Freigeister hindern euch daran, zur Messe zu gehen. Sie sind die Teufel, die wir bezwingen müssen! Die Teufel, die in die Knie sinken müssen vor der Religion und den Getauften!“ – an diesem Tag ging zumindest eine Person nicht konform mit dem jungen Priester.
    Die Republikaner siegten wider Erwarten, und diese schwarze Seele schwärzte Saunière daraufhin kräftig an. Seine Weigerung, sich von der Kanzel herab zu entschuldigen, brachte ihm eine harsche Strafe ein: Er musste so lange ohne Bezüge im Priesterseminar zu Narbonne Latein lehren, bis er seine Verfehlung zugeben und bereuen würde.
    „Marie“, sprach er, als er seine Reisetasche packte, „nimm von dem für die Kirche gesammelten Geld, soviel du zum Leben benötigst. Du bist ein sparsames Mädchen und wirst meine Gutmütigkeit nicht missbrauchen. Es wird nicht lange dauern, bis ich wieder meinen Dienst in Rennes-le-Château antrete, und ich werde genügend Geld mitbringen, um die Summe aufzufüllen.“
    Wie er jedoch an Geld kommen wollte, so ohne alle Bezüge, darüber dachte ich die ganze Zeit nach, in der er in Narbonne war. Ich lebte überwiegend von dem, was der Vorratskeller anzubieten hatte oder was mir Émilie brachte, denn ich wollte ihm keine Schwierigkeiten bereiten.
    Fleißig sah ich in seiner Abwesenheit all seine zurückgelassene Wäsche durch. Manchmal schnupperte ich ein
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