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Marianne & David (German Edition)

Marianne & David (German Edition)

Titel: Marianne & David (German Edition)
Autoren: Reimund J. Dierichs
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holen.“ Das war zwar gelogen -er wollte einfach nur seine Ruhe haben-, aber ihm fiel auf die Schnelle nichts Besseres ein.
    Ihr Gesicht hellte sich auf. „Für mich bitte ein Sodawasser.“ Ihre Stimme klang weicher, entgegenkommender.
    Er nickte nur stumm und sah zu, dass er fort kam.
    Es wäre einfach gewesen, die wenigen Stufen vom Strand zur Straße hochzusteigen und am nächsten Kiosk Getränke zu besorgen, aber er brauchte jetzt eine Stunde ganz für sich allein. Vielleicht konnte er ja, bevor er zu ihr zurückging, in einer der Bäckereien ein Stück Kuchen oder eine süße Schnecke kaufen. Das würde sie aussöhnen. Gleichzeitig hätte er eine Ent-schuldigung für sein langes Fortbleiben. Aber warum dachte er jetzt daran? Offensichtlich gab es kein Entkommen. Selbst wenn sie nicht da war, kontrollierte sie jeden seiner Schritte. Sie kontrollierte sein Leben. Nein, so war es nicht. Er traf seine eigenen Entscheidungen, und wenn sie für ihn mitentschied, dann nur, weil er unsicher war und zögerte. Er konnte Marianne nicht für alles verantwortlich machen. Sie hatte ihm die Ehe nicht aufgedrängt. Er war es, der sie unbedingt heiraten wollte. Er hatte sich oft gefragt warum. War es, um dumpfen Konventionen zu genügen, um es Verwandten und Freunden gleichzutun, die auch alle den Bund der Ehe eingegangen waren und Kinder in die Welt gesetzt hatten? War es die Sehnsucht nach Geborgenheit und Fürsorge, die er als Kind so oft vermisst hatte? Oder wollte er sich vielleicht nur etwas beweisen? War die Affinität zum eigenen Geschlecht schon immer in seinem Charakter verankert gewesen, und versuchte er sie zu verdrängen oder gar auszumerzen?
    Er lenkte seine Schritte weg von der Uferpromenade, indem er der Straße folgte, die hinauf führte zur venezianischen Festung. Er bog jedoch vorher rechts ab und stieg die Stufen zur Altstadt hoch. Er wusste, dass es in Parga kaum noch touristenfreie Zonen gab, aber hier oben würde der Trubel erst wieder am Abend beginnen, wenn alle in die Panoramarestaurants auf dem Hügel strömten, von wo aus sie, während sie Tzatsiki oder Stifado aßen, auf die Stadt hinunterschauen konnten. Um diese Zeit lagen die meisten von ihnen am Strand oder genehmigten sich eine Kleinigkeit in unmittelbarer Nähe des Wassers.
    Er fand die kleine Ouzerie eher zufällig, als er eine der Seitengassen durchstreifte, die auf einen quadratischen Platz mündete. Hier, im Schatten einer riesigen Platane, saßen wohl ein Dutzend Männer vor ihrer Tasse mit griechischem Kaffee und diskutierten miteinander. Auch wenn er kein Wort verstand, so ließen Mimik und Gestik doch darauf schließen, dass Politik ihr Hauptgesprächsthema war.
    David setzte sich auf die geflochtene Sitzfläche einer der Holzstühle und bestellte sich einen Ouzo. Wenn Marianne jetzt bei ihm gewesen wäre, hätte sie das Trinken von Schnaps in den Nachmittagsstunden mit einem vorwurfsvollen Blick bestraft. Zum Teufel mit Marianne! Nervös rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, wobei ihm einmal mehr bewusst wurde, dass die Griechen eine Vorliebe für Sitzgelegenheiten besaßen, die von ihrer Größe her eher für Kinder geeignet waren. Übergewichtige bekamen in jedem Fall Probleme. Er hatte es tatsächlich schon öfter beobachtet, wie sich ein Dicker zwei Stühle zusammen-schob, damit die Ränder seines Gesäßes nicht zu sehr über-lappten.
    Er mochte solche Stühle, vor allem die blau gestrichenen, die im grellen Sonnenlicht einen idealen Kontrast zu den oftmals weiß getünchten Häusern abgaben. Eine Alternative zu den grässlichen Plastikstühlen, die immer häufiger in den Lokalen auftauchten, waren sie allemal. Man verbrannte sich an den glühend heißen Sitzflächen die nackten Oberschenkel und blieb an ihren Lehnen mit dem Hemd kleben, was dem Gefühl gleichkam, ein Pflaster auf dem Rücken zu haben, dass jemand ganz langsam abzog.
    David unterzog die Männer einer eingehenden Betrachtung. Zwei Drittel waren alt, zwei mochten in seinem Alter sein und zwei weitere waren eindeutig jünger. Wie sehr sich die Gewohn-heiten der Menschen doch voneinander unterschieden. Kaum drei Flugstunden entfernt und trotzdem anders. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine Einheimische in einem der Lokale gesehen zu haben. Jedenfalls nicht als Besucherin. Sie mochten in der Küche arbeiten, aber selten an den Tischen sitzen. Noch bevor er weiter darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass es noch gar nicht so lange her war, als in den
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