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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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keine, bis auf das Schneeglöckchen, dieses Muster ohne Wert. Es gibt keine Bälle mehr, und die Schwimmbäder öffnen erst später. Wir heizen, ziehen aber morgens bereits den Übergangsmantel an. Der März ist noch nicht der Monat der Liebe wie der Mai und nicht mehr die Zeit der gesundheitlichen Heimsuchungen wie der Februar. Er hat keine eigene Melodie, keinen großen Satz. Der März ist Intermezzo.
    Ich merke, dass ich seit ein paar Tagen anders aufwache. Denke etwa im Halbschlaf: Und doch! Oder: Ich muss sie anrufen! Oder: Aber wenn vielleicht doch, ich versuche es! Noch vor einer Woche dachte ich verdrossen, es wird das Beste sein, wenn ich mich dem Schicksal ergebe, sie nicht mehr anrufe, es nicht versuche, mich damit abfinde. Inzwischen ist etwas geschehen. An der Außenwelt macht sich noch nichts bemerkbar. Die Natur arbeitet, in ihren geheimen Werkstätten, an den neuen Kreationen, verrät nichts über die sensationellen Neuigkeiten, gibt ihre Geheimnisse nicht preis. Die Versatzstücke sind noch die des Winters. Nur das Licht, das auf die schäbigen Kulissen fällt, ist anders. Ich reibe mir die Augen, schaue mich fröstelnd um, gähne zufrieden und denke: In Gottes Namen, noch einmal!
    Er hat vorerst nur Farbe und Duft. Das ist noch nicht das Parfum der Blumen, auch nicht die Wärme, der animalische Erdgeruch, der in einigen Wochen mit seinem feuchten Gären den weißen und betäubenden Dämpfen Kopfschmerz hervorruft und zu Tollheiten anstiftet. Ein kleiner, frischer Duft ist das, als würde das Fenster zum Lüften geöffnet. Witternd bin ich mit meinem Weichselholzstock unterwegs. Und es ist noch nicht ratsam, die Winterklamotten mit Kampfer wegzuschließen, auch nicht die Liebschaften des Winters. All das könnte noch benötigt werden. Doch mir kommen schon Sätze in den Sinn wie: »Auf, die Heimat ruft, Magyaren!«* Überhaupt lese ich im März immer Petofi, manchmal sogar laut.
    Fröstelnd und neugierig sitzen wir im zarten Lichtschein, blicken in den Himmel. Erwarten nicht viel Gutes. Freuen uns aber, dass es beginnt.

ACH, WAR DAS SCHÖN!
    Ach, war das schön, so schön, das Leben. Doch hatte es auch etwas Kitschiges. Da waren Räume mit diffusem Licht, in denen eine Lampe brannte, und im Grammophon sang Lucienne Boyer. Da gab es Felsen mit kreischenden Vögeln. Auch eine gewisse Dichte, Süße und Duft hatte es, vertrauten Kram und auch Bitteres, als hätte man eine Arznei geschluckt. Es war darin Benommenheit, wenn man sich über das Gesicht einer Frau beugte, auch unbarmherzige, scharfe und helle Momente, sobald man die Frau durchschaute, und sich selbst, ja die ganze Welt. Der Tod war darin, der Augenblick, da der Leichnam weggebracht wird und die Fenster geöffnet werden, man auszukehren und den Boden zu schrubben beginnt. Es gab die Angst darin, den Ernst, die Stille und eine Freude, die wie ein Aufschrei war.
    OPIUM
    Thomas de Quincey* nahm Opium, weil er das Leben intensiver genießen wollte. Diese Sehnsucht war krankhaft und ungesund. Doch solange er das Opium in dieser amoralischen Absicht zu sich nahm, fühlte er sich ausgezeichnet, kannte keine Gewissensbisse, lebte, arbeitete und war glücklich. Eines Tages begann ihn dann das Zipperlein zu plagen, die ganz banale englische Gicht. Er hatte unerträgliche Schmerzen; und nun nahm er Opium gegen den Schmerz, was keinesfalls sittenwidrig und auch mit den Menschenrechten im Einklang war. Doch diesen andersartigen, zweckdienlicheren, ethisch vertretbaren, medizinisch indizierten Opiumkonsum hat sein Organismus nicht verkraftet. Was bislang Glücksgefühle bescherte, verwandelte sich in bittere Medizin. Was ihn bis dahin in eine Traumwelt versetzte und betäubte, bewirkte plötzlich kaum mehr als ein Aspirin. Das Schmerzgefühl wurde dank des Morphiums zwar gelindert, doch der Glückszustand stellte sich nicht mehr ein. Aber es genügt nicht, schmerzfrei zu sein: Zum Leben bedarf es auch der Freude und des Glücks. Und deshalb starb er.
    THEATER
    In der Pause zwischen zwei Akten schrieb ich, während ich rauchte, in mein Notizbüchlein:
    »Das Schöne am Theater ist, dass man nichts missverstehen kann. Halbtöne kennt es nicht. In guten Stücken – in Meisterwerken wie in Rührstücken – wird sehr gehasst oder sehr geliebt. Eine andere Lösung gibt es nicht. Rührstücke können übrigens ebenso gute Schauspiele sein wie die Meisterwerke. Kotzebue hat sehr wirkungsvolle Bühnenstücke geschrieben. Natürlich auch Shakespeare. Vom
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