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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
Autoren: Monika Gruber
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sagte: »Um Gottes willen, Frau Gruber, in Ihrem Alter, sind’s doch froh, dass Sie ein festes Einkommen haben. Bleiben Sie dort, wo Sie sind. Wenn Sie sich verändern wollen, suchen Sie sich eine neue Wohnung oder machen S’ a Reise!«
    Ich war ernüchtert. Aber nicht gewillt, so leicht aufzugeben. Jetzt, wo ich mich endlich durchgerungen hatte, meinen Traum wahr werden zu lassen.
    Da fiel mir wieder die Schauspielschule Ruth von Zerboni ein, die Georg Maier erwähnt hatte. Ich suchte die Nummer aus dem Telefonbuch, rief an, und siehe da: Sie luden mich gleich zu einem Vorsprechen ein, das idealerweise bereits für die Woche, in der ich anrief, angesetzt war.
    Wow! Der erste Schritt war getan. Ich hatte ein Vorsprechen!!! Das Problem war nur: Was um Himmels willen sollte ich vorsprechen? Der Termin war in drei Tagen. Das hätte gereicht, um ein Rilke-Gedicht einzustudieren und beim Achtzigsten der Oma nett vorzutragen. Aber drei Tage, um einen Monolog der Desdemona einzustudieren oder der Maria Stuart? Und gab es davon überhaupt eine bayerische Version? Nicht, dass ich wüsste.
    Was tun? Egal, ich war so euphorisiert, dass ich beschloss, einfach hinzugehen und dem Gremium auf der hell erleuchteten Bühne der Schule die Karten auf den Tisch zu legen: »Hören Sie, ich weiß, des klingt jetzt vielleicht ein bissl blöd, wenn ich Ihnen jetzt sagen muss, dass ich nix einstudiert hab’, weil die Zeit einfach nicht gereicht hätte, um es ordentlich zu tun (und akzentfrei Hochdeutsch) zu lernen, aber ich weiß, ich bin für diesen Beruf bestens geeignet!«
    Schweigen im dunklen Raum unterhalb der Bühne.
    Die warme Stimme der Schulleiterin, Frau Behrmann von Zerboni, fragte: »Wie? Sie haben … nichts einstudiert?«
    Unruhiges Stühlerücken beim Rest des Auditoriums. Ich merkte, ich war dabei, die Chance meines Lebens zu verspielen.
    »Ich weiß, Frau Behrmann von äh Dings, das mag jetzt für Sie ein bissl ungewöhnlich klingen …«
    »Das tut es in der Tat.«
    »… aber ich könnt’ Ihnen spontan etwas vorspielen.«
    »Spontan? Etwas vorspielen?«
    Räuspern und undefinierbares Gemurmel im Zuschauerraum.
    »Ja.«
    »Und an was konkret hätten Sie dabei gedacht, Frau Gruber?«
    »Ich arbeitete für einen holländischen Chef, der mich an Gordon Gekko aus Wall Street erinnert, und wir kommunizieren den ganzen Tag über in einem Mischmasch aus Deutsch, Englisch, Holländisch und Bayerisch … und Französisch, wenn Kollegen vorbeischauen! Es ist chaotisch und für Außenstehende wahrscheinlich komisch, denn mein Chef ist sehr dominant und ehrgeizig, das heißt, er kauderwelscht mir seine Befehle entgegen, ich führe sie aus, und wenn einer der Befehle sich als weniger intelligente Idee herausstellt, entschuldige ich mich bei ihm dafür, und so kommen wir wunderbar miteinander aus.«
    »Aha. Dann zeigen Sie uns das. Bitte.«
    Und ich schwöre bei Gott, dass ich keinen einzigen Satz mehr nacherzählen könnte, den ich damals auf der Bühne von mir gegeben habe. Aber ich werde nie das Gefühl vergessen, das ich empfand, als die Ersten unten im Zuschauerraum anfingen zu lachen. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie lange ich spielte. Ob es zwei, fünf oder zehn Minuten waren. Irgendwann sagte Frau Behrmann von Zerboni: »Danke, Frau Gruber, das reicht. Gehen Sie bitte kurz raus, und warten Sie auf uns.«
    In dem Moment dachte ich: »Das war’s. Du blöde Kuh, hast grad deine vielleicht einzige Chance verpasst, Schauspielerin zu werden. Scheißescheißescheiße, verdammte Scheiße!«
    Ich hockte auf dem grauen verschlissenen Sofa in einem kalten Flur – es war Januar. Und ich wartete. Ich weiß nicht, wie lange. Plötzlich öffnete sich die Tür vom Bühnenraum, und eine der älteren Schülerinnen, ein blondes Mädchen namens Ronny Weise, kam zu mir und bat mich mit einem Lächeln wieder hinein. War’s das?
    Frau Behrmann von Zerboni bat mich, am Bühnenrand Platz zu nehmen, und begann: »Frau Gruber …«
    (Scheißescheißescheiße – das war’s!)
    »… Sie haben eine sehr niedrige Hemmschwelle …«
    (Ist das gut oder schlecht?)
    »… das ist für unseren Beruf gut. Außerdem haben Sie schauspielerisches Talent …«
    (Sag ich doch.)
    »… und auch wenn einige unserer Lehrerschaft Zweifel haben …«
    (Scheiße!)
    »… würde ich Sie gerne an unserer Schule aufnehmen …«
    (WAHNSINN !!! YEAH !)
    »… aber …«
    (O Gott, jetzt kommt’s!)
    »… haben Sie sich schon mal überlegt, ob Sie nicht Kabarett machen
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