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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
Autoren: Monika Gruber
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aufführen.
    Ich war irgendwann drei Wochen in Amerika, und als ich nach insgesamt vier Wochen Absenz – ohne zwischendurch angerufen zu haben – bei meinen Eltern in die Küche kam, meinte meine Mutter leise lächelnd: »So, bist aa wieder da?« Und da war ich angekommen. Daheim.

Strawanzen
    Da ich das erste von drei Geschwistern war – ich habe noch zwei jüngere Brüder – und ich erst im Alter von vier Jahren in den Kindergarten kam, waren lange Zeit meine einzigen Bezugspersonen meine Eltern und meine Oma väterlicherseits mitsamt dem Großonkel Miche, die beide bei uns auf dem Hof lebten. Aus diesem Grund war mir anscheinend bereits als Zweijährige oft ziemlich langweilig, denn ich bin fast täglich stundenweise »Gassi gegangen«, wie meine Mutter es auszudrücken pflegte. Meine bevorzugte Anlaufstation waren unsere Nachbarn, die Familie Königseder, die in einem kleinen Spitzhäusl auf der anderen Seite der Straße lebten. Es gab keine anderen direkten Nachbarn außer der Familie Franz, die nicht nur neben den Königseders wohnten, sondern auch noch verwandt mit ihnen waren (die beiden Frauen, Mari Franz und Rosa Königseder, waren Schwestern). Sie hatten aber nur einen viel älteren Sohn, den Fredi. Außerdem hatte die wunderbar großherzige und großzügige Rosa Königseder drei Kinder, die immer mit mir spielten, auch wenn sie ein gutes Stück älter waren als ich: Roswitha, die Älteste, dann den zwei Jahre jüngeren Seppi und meinen absoluten Liebling der Familie, das Nesthäkchen Konrad, der von allen nur liebevoll »Koni« genannt wurde. Deshalb nannte ich die Rosa auch nie Rosa, sondern von klein auf immer nur Koni-Mama, weil sie ja die Mama vom Koni war, logisch.
    Natürlich gab es auch einen Vater Königseder, aber der Ludwig redete nur wenig, weil er sich ausruhen musste, er stand nämlich jeden Tag sehr früh auf, um seiner Frau beim Zeitungsaustragen zu helfen, und dann fuhr er in die Erdinger Stiftungsbrauerei, wo er als Bierfahrer arbeitete. Und zu der damaligen Zeit war es noch üblich, dass die Bierfahrer in den Wirtschaften, zu denen sie das Bier lieferten, eine Brotzeit einnahmen oder einfach nur eine sogenannte Stehhalbe. Und wenn man auf einer Tour mehrere gastfreundliche Wirte hintereinander hatte, da konnten bis zum Feierabend schon ein paar Halbe zusammenkommen. Das heißt, wenn Ludwig Königseder nach einem langen Tag nach Hause kam, dann setzte er sich – wenn das Wetter es zuließ – meist in Unterhemd und Hose auf die kleine Bank an der Nordseite des Hauses, um sich zu entspannen oder – wie meine Mutter immer sagte – »ein bissl auszudampfln«, während er den zwei Familienschildkröten beim Fressen zuschaute.
    Denn Königseders hatten vor dem Haus ein kleines selbst gezimmertes Freigehege aus Holz für ihre beiden Haustiere. Wir Kinder hatten selber ja nur Katzen als Haustiere, deshalb übten die Schildkröten mit ihren Zeitlupenbewegungen und ihrem steinharten glänzenden Panzer immer eine besondere Faszination auf uns auf. Jedes Mal, wenn wir sie besuchen gingen, baten wir unsere Mutter um ein paar Salatblätter, um dabei zuzuschauen, wie die Schildkröten langsam ihren schuppigen, runzligen Minidinosaurierkopf aus dem Panzer schoben, sich in Richtung des Blattes hievten und ihre Kieferleisten in die Blätter schlugen. Manchmal nahmen wir sie auch aus dem Gehege heraus, wir wurden allerdings immer von Rosa gewarnt, dass wir sie nicht aus den Augen lassen dürften, denn – so langsam sie auch zu sein schienen – wenn man ein paar Minuten nicht Obacht gab, dann konnte es passieren, dass die Schildkröte unter den Sträuchern verschwand, und durch ihre gute farbliche Tarnung konnte sich die Sucherei dann etwas hinziehen. Denn ihren Namen zu rufen bringt ja bei einer Schildkröte eher weniger.
    Als ich noch sehr klein war, hat meine Mutter mir die Schildkröten beim Spaziergehen einmal gezeigt, und da die Rosa Königseder einem immer ein Stück Schokolade oder ein »Gutti« (Bonbon) schenkte, beschloss ich im Alter von zwei Jahren, nicht erst auf eine Einladung ins Haus der Königseders zu warten, sondern meine Besuche selber zu planen, was nichts anderes bedeutet, als dass ich fast täglich von zu Hause abgehauen bin, obwohl meine Oma eigentlich hätte auf mich aufpassen sollen.
    Meine Mutter beschrieb mein »Ich-hau-jetzt-mal-ganz-heimlich-still-und-leise-von-daheim-ab-Ritual« so: Sobald ich mich auch nur einen Moment unbeobachtet fühlte, ließ ich mein Spielzeug
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