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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
Autoren: Monika Gruber
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letzten Kurve vor unserer Hofeinfahrt, uns seine Salamibrote noch einmal zur Besichtigung zur Verfügung zu stellen. Aber solch eine Sauerei brachte pragmatische, krisenerprobte bayerische Mütter wie die Mama oder Tante Anneliese nie ins Wanken, sondern sie meinten einfach nur cool: »Das nächste Mal sagst es eher, gell!« Ein Satz, der bestimmt in Bayern im Zusammenhang mit dem Thema natürliche Empfängnisverhütung schon oft zur Anwendung gekommen ist.
    Auch bei Liebeserklärungen liebt der Bayer die Knappheit. Ich habe mal vor vielen Jahren einem gestandenen Bayern eine wortreiche, (aus meiner Sicht) romantische Liebeserklärung gemacht, worauf dieser Kerl mich ganz lässig anschaute – ohne auch nur eine Miene zu verziehen – und meinte: »A so glei, ha?« (Übersetzung: »Du hegst wirklich solch dramatische Gefühle für mich? Da bin jetzt aber einigermaßen überrascht und durchaus angetan, und ich möchte dir hiermit feierlich mitteilen: ›Ja, ich liebe dich auch!‹«)
    In ganz jungen Jahren hat mir mal in unserer Erdinger In-Disco, dem Pascha, ein junger Mann, den ich schon seit Längerem unter Beobachtung hatte, selbstbewusst sein Interesse mit den dürren Worten bekundet: »Also, i daad scho mögen!« Angesichts von so viel charmantem Wortwitz und rotziger Poesie habe ich auf der Stelle die Flucht ergriffen und mir die nächsten drei Stunden auf der Tanzfläche den Frust von der Seele gezappelt.
    Wenn der Bayer irgendetwas völlig Außergewöhnliches, Unglaubliches erfährt, wird er seine ganze Emotionspalette zusammenkratzen und mit großen Augen ausrufen: »Geh!« oder »Ha?!« oder »Spinnst!« oder auch »Sachen gibt’s!«
    Gefühlsbekundungen im Allgemeinen sind dem Bayern eben eher peinlich, und er wird in der Regel immer versuchen, das Thema schnell abzuhaken, um sich Interessanterem zuzuwenden, wie zum Beispiel dem (Lokal-)Fußball, dem Wetter oder den völlig überzogenen Getränkepreisen in Münchner Lokalen. Fragt man einen Bayern, wie es ihm geht, kommen meist folgende Antworten: »Guad.« (Bedeutet: »Gut.«)
    »Es geht.« (Bedeutet: »Irgendwas ist ja immer.«)
    »Passt scho.« Oder wahlweise nur: »Passt.« (Bedeutet: »Worüber soll ich anfangen, mich zu beklagen, Bandscheibe, Ehe oder Finanzen?«)
    »Muass ja.« (Bedeutet: »Es geht mir beschissen, aber ich werde den Teufel tun und dir die ganzen furchtbaren Details auf die Nase zu binden, weil ich sonst wahrscheinlich zu weinen anfangen und drei Tage nicht mehr aufhören würde.«)
    Erwischt man einen sehr gesprächigen Tag, dann wird er nach »Guad« noch fröhlich hinzufügen: »Schlechte Leut’ geht’s immer guad!«
    Der Ausdruck »Passt scho« wird vom Bayern übrigens in fast allen Bereichen des Lebens angewendet, weil dadurch detailliertere Erläuterungen abgeblockt werden und den Beteiligten oft viel Unangenehmes, gerade in Beziehungen, erspart bleibt. Fragen, auf die ein männlicher Bayer seiner Freundin, Gattin oder Lebenskurzzeitabschnittsgefährten häufig mit »Passt scho« antworten wird, sind unter anderem:
    »Hasi, wie gefällt dir mein neues Kleid/meine neue Frisur/meine neue Nase?«
    »Schatzi, liebst du mich auch?«
    »Schneckerle, möchtest du von meinem Tofu-Schnitzel probieren?«
    »Stinkerle, du sollst nicht so viel Augustiner trinken, möchtest du nicht doch lieber einen Hugo?«
    »Schnuffi, möchtest du nicht doch in den Geburtsvorbereitungskurs mitgehen?«
    »Schnacki, willst du nicht doch mit der Susi, der Tini, der Isi und mir zum David-Garrett-Konzert mitgehen?«
    »Spatzerl, du bist ganz sicher, dass dir beim Formel-1-Rennen in Monte Carlo mit dem Tschako, dem Stevie und dem Fatso nicht langweilig wird ohne mich?«
    Die Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen.
    Diese Reduktion der Sprache auf das Wesentliche ist das, was ich oft vermisse, wenn ich längere Zeit von daheim weg war. Noch heute, wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme und bei meinen Eltern vorbeischaue, gibt es keinen großen Bahnhof à la: »Endlich bist wieder da! Schön! Hast an guten Flug ghabt? Bist müd? Magst was essen? Erzähl, wie war’s? Was hast alles gseng? Was hast erlebt? Wen hast kennengelernt? Wie war das Hotel? Das Essen? Der Strand? Das Land? Erzähl halt was, oder muss man dir alles aus der Nase ziehen?!?« Ich habe mir von Freunden, die zwar allesamt Bayern, aber nicht auf dem Land aufgewachsen sind, erzählen lassen, dass sich manche Eltern bei der Rückkehr ihrer Kinder aus einem einwöchigen Mallorca-Urlaub so
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