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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
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sollte nicht ohne Zwi-schenfall verlaufen. Als er in die Straße einbog, die zu den Docks führte, sah er plötzlich Marianne, und die ganze alte Bitterkeit stieg wieder in ihm hoch. Von Kopf bis Fuß in Son-nengelb gekleidet, sah sie ganz so aus wie die Frau eines reichen Mannes, obwohl er gehört hatte, daß sie inzwischen von ihm geschieden war. Er wußte nicht recht, was er davon halten sollte, und hatte bislang auch noch keinen Gedanken daran verschwendet.
    Er mußte an ihr vorbei, wenn er zum Hafen wollte. Den Teufel würde er tun. Er wollte eben die Straßenseite wechseln, aber da hatte sie ihn schon erblickt. Er zuckte zusammen, als er sie seinen Namen rufen hörte, ging aber nicht auf sie zu, sondern wartete, daß sie zu ihm kam. Früher hätte er sofort getan, was sie von ihm verlangte, jetzt konnte er kaum ihren Anblick ertragen, obwohl sie mit ihrem blonden Haar und den strahlend blauen Augen genauso schön war wie einst.
    »Wie geht es dir, Warren?«
    »Bin nicht in der Stimmung für eine oberflächliche Konver-sation«, erwiderte er kurz angebunden. »Wenn du mich also entschuldigen würdest ...«
    »Immer noch verbittert? Ich hatte gehofft, die alte Geschichte sei längst vergessen.«
    »Wieso?« höhnte er. »Um dort weiterzumachen, wo du aufgehört hast?«
    »Nein. Ich habe bekommen, was ich wollte: meine Unabhängigkeit von den Männern. Und die würde ich gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen.«
    »Was reden wir dann noch?«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln – dies geduldige Lächeln, das er so gut an ihr kannte. Er hatte fast vergessen, wie unendlich geduldig sie sein konnte. Wenn er jetzt darüber nachdachte, war es wohl mehr ein Mangel an Gefühlen, so ganz anders als Amys Geduld oder vielmehr Toleranz, denn geduldig war sie eigentlich nicht.
    »Ich hätte dich beinahe besucht, als ich hörte, daß du wieder im Lande bist«, fuhr sie fort. »Doch dann fehlte mir der Mut.
    Deshalb bin ich froh, daß ich dich jetzt getroffen habe. Ich wollte mich schon lange bei dir entschuldigen für meine Rolle in Stevens Inszenierung. Bisher konnte ich dir das nicht sagen, aber jetzt, da ich geschieden bin, kann ich es.«
    »Und das soll ich dir glauben?«
    »Ist schon in Ordnung, wenn du es nicht glaubst. Ich wollte nur einfach mein Gewissen erleichtern. Nicht, daß ich es heute anders machen würde, aber ich hatte trotzdem ein ungutes Gefühl dabei.«
    »Wobei, Marianne? Wovon sprichst du in drei Teufels Namen?«
    »Steven hat die ganze Sache inszeniert – mit dir, mit mir. Es war ein wohldurchdachter Plan, den er ausgeheckt hat, lange bevor wir uns kennenlernten. Und du bist darauf hereingefallen. Du warst jung und leichtgläubig, und der Plan war ganz einfach. Er mußte nur dafür sorgen, daß du dich in mich ver-liebst und du später wegen deines größten Rivalen sitzengelassen wirst. Das Kind gehörte mit zu dem Plan, ebenso die Scheidung. Wie gesagt, er hatte alles im voraus geplant. Er brauchte nur eine Frau, die mitspielte, und die fand er in mir, denn der Preis, den er fürs Mitspielen zahlte, war einfach zu verlockend für mich. Reich sein und unabhängig, ohne einem Mann Rechenschaft ablegen zu müssen. Damit hat er mich geködert; und ich habe angebissen.«
    Warren war derart fassungslos, daß er nicht einmal wütend sein konnte. »Selbst das Kind gehörte mit zu dem Plan?«
    »Ja. Ich habe mit ihm geschlafen. Er hatte darauf bestanden, nicht weil er mich liebte, sondern nur, um sicherzugehen, daß ich ein Kind bekam. Es interessierte ihn gar nicht, von wem das Kind war, solange du glaubtest, es sei von dir.«
    »Und wessen Kind war es?«
    Sie hob gleichgültig die Schultern. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich sollte es nicht behalten, das gehörte mit zu dem Plan. Deshalb wollte ich keine enge Bindung zu ihm ent-stehen lassen.«
    »Hat Steven das Kind umgebracht?«
    Diese Frage verblüffte sie. »Hast du das etwa gedacht?
    Nein. Und das war die komische Seite an der Geschichte. Er liebte den Jungen. Er war völlig am Boden zerstört, als der Unfall passierte.«
    »Das kann ich mir denken.«
    Sie runzelte die Stirn. »Du hast ihn gewinnen lassen, weißt du? Du hast alles so geschehen lassen, wie er es geplant hatte.«
    »Leichtgläubig, wie ich war, konnte es wohl gar nicht anders sein.«
    »Ich sprach von der Gegenwart. Glaubst du, ich sehe nicht, wie verbittert du noch heute bist? Warum hast du es nicht einfach hinter dir gelassen und vergessen? Ist dir nicht klar, daß wir nur
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