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Malevil

Malevil

Titel: Malevil
Autoren: R Merle
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Absetzung abzustimmen. Es blieb uns nicht
     die Zeit, diesen Plan auszuführen. Bevor er in die Tat umgesetzt wurde, ließ Colin sich im Kampf mit einer kleinen, kaum sechs
     Mann starken und sehr schlecht bewaffneten Plündererbande töten. Colin, der vielleicht damit rechnete, durch eine auffällige
     Tat wieder einigen Glanz in unseren Augen zu gewinnen, exponierte sich ebenso verrückt, wie er das bereits im Kampf gegen
     Vilmain getan hatte, und erhielt die Ladung einer Jagdflinte aus unmittelbarer Nähe mitten in die Brust. Im Tode nahm sein
     Gesicht wieder jenen kindlichen Ausdruck und jenes muntere Lächeln an, dem er zu seinen Lebzeiten so viel nachsichtige Behandlung
     durch Emmanuel verdankt hatte.
    |548| Nach seinem Tode erklärte ich mich bereit, die beiden Machtbefugnisse in Malevil zu übernehmen. Ich erneuerte die freundschaftlichen
     Beziehungen zu La Roque, die Colin gelockert hatte, und nach einem Jahr wurde ich zum Bischof gewählt.
    Die Ernte von 78 war gut ausgefallen, die 79er noch besser. Nicht ohne Schwierigkeit bestimmte ich die Einwohner von La Roque
     dazu, in Zukunft alle Erträge als gemeinsames Gut zu betrachten und im Verhältnis zur Einwohnerzahl aufzuteilen. Zwei Teile
     für La Roque und ein Teil für Malevil, da wir zehn waren und die in La Roque etwa zwanzig. Von dieser Anordnung gewannen wir
     in normalen Zeiten viel, da das Schwemmland um La Roque reich war. Doch ich machte meines Erachtens nicht ohne Grund geltend,
     daß das Flachland bedeutend stärker durch die Invasionen bedroht war als unsere Hügel. Wenn die in La Roque eines Tages von
     Plünderern heimgesucht wären, würden sie, von allem entblößt, froh sein, zwei Drittel unserer Erzeugnisse zu erhalten.
    Im Verlauf dieser Verhandlungen machte mir Meyssonnier, der schon völlig zum Einwohner La Roques geworden war, keinerlei Zugeständnis.
     Aber ich erwies mich als geduldig und, wie Emmanuel gesagt hätte, »flexibel in der Festigkeit«. Nachdem ich diese Angelegenheit
     zum Guten geführt hatte, beglückwünschte mich die Vollversammlung herzlich. Siehst du, sagte Peyssou, Emmanuel hätte es nicht
     besser gemacht. Erinnerst du dich an den Kuhtausch mit Fulbert?
    Schon zu Lebzeiten Emmanuels, im Jahre 77, hatte sich mit dem Einzug der damals zehn Monate alten Christine Pimont ein wahrer
     Kult des Kindes bei uns entwickelt. Wir trauten unseren Augen nicht: Sie erschien uns so neu in unseren alten Mauern. Obgleich
     importiert, war sie doch unser erstes Baby, wurde sofort mit überschäumender Begeisterung aufgenommen und ging in ihrem zarten
     Alter von Arm zu Arm. Ständig von allen umhergetragen, verhätschelt, beschäftigt und unterhalten, begann Christine alle Frauen
     von Malevil Mama und alle Männer Papa zu nennen. Als ich zum Oberhaupt gewählt wurde, beschloß ich mit Zustimmung der Vollversammlung,
     aus dieser spontanen Gepflogenheit ein Gesetz zu machen. Denn nach 1977 wurden uns andere Kinder geboren, Gérard, Sohn von
     Miette, Brigitte, Tochter von Catie, Marcel, Sohn von Agnès, der vier Monate nach Emmanuels Tod geboren |549| wurde. Agnès hätte ihm aus verständlichen Gründen den Namen des Dahingeschiedenen geben wollen, doch es gelang mir, ihr davon
     abzuraten. Und auf meinen Vorschlag hin verbot die Versammlung von Malevil auch jene beständige Suche nach körperlichen Ähnlichkeiten
     des Kindes mit seinen Erzeugern, die ich schon bei Ehepaaren für verhängnisvoll halte, um so mehr in einer Gemeinschaft wie
     der unsrigen.
    Die Ankunft von Agnès Pimont in Malevil nach Fulberts Tod störte das Gleichgewicht der Kräfte unter den Frauen. Agnès fand
     bald Geschmack an der Freiheit, die Emmanuel ihr gelassen hatte, aber ohne sich jemals, wie Miette, gerechterweise allen zuzuwenden.
     Wie Catie erhob sie Anspruch auf Exklusivität, Launen und Koketterien. Doch sie tat es auf gewitztere Art. In den Armen von
     Catie hatte man das Gefühl, auf einem Vulkan zu tanzen, bevor man von seinem Feuer verschlungen wurde. Agnès, »sanft und heiter
     wie ein Bach im April« (Em manuel ), reizte einen vorerst durch ihre Kühle, bevor sie einen in ihre Flammen einhüllte.
    Die Rivalität der beiden Frauen, gedämpft unter der Herrschaft Emmanuels, brach nach dem Tode der Menou in einen offenen Kampf
     um die Macht aus. Wochenlang wütete der Krieg der Zungen, bis er in eine Schlägerei ausartete. Dann kam vor den erstaunten
     Augen des einzigen Zeugen Peyssou Miette dazwischen und »versetzte den beiden
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