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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Autoren: René Grandjean
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nicht mit so einer einzulassen.
Die älteren Jungs, die Großen, die schon Moped fahren, werden sie umschwärmen
wie die Motten das Licht. Da tut man gut daran, ihnen nicht in die Quere zu
kommen.
    „Wahrheit oder Pflicht?“, rufen die
Mädchen lachend.
    Der Flaschenhals zeigt auf mich wie
der Lauf einer Pistole. Ich verspüre nicht den geringsten Wunsch, eines der Mädchen
zu küssen. Darauf läuft es doch immer hinaus bei diesem Spiel. Darum wähle ich
Wahrheit. Tuschelnd und giggelnd stecken die Mädchen die Köpfe zusammen, um
sich die für mich unangenehmste aller Fragen auszudenken. Die Jungs sind
unruhig. Thomas und Heiner vergleichen ihren Bizeps. Klaus ist auffällig still
heute. Martin lehnt sich zurück und streckt die Beine aus. Verstohlen schielt
er zu Bettina. Die beiden werden bald ein Paar sein. Bis zu dieser unschönen
Geschichte auf der Klassenfahrt.
    Die Mädchen sind sich einig
geworden. Silvia kann kaum sprechen, weil sie ständig kichern muss.
    „In welches Mädchen aus unserer
Klasse bist du verliebt?“
    Eine Welle von Scham schwappt über
mir zusammen. Nicht wegen der Frage. Ich schäme mich, weil ich in dieser
Kinderwelt nichts zu suchen habe. Ich bin ein Eindringling, ein Spion. Hab
mich hier eingeschlichen, getarnt mit einem Körper, dem ich längst entwachsen
bin wie einem Kommunionanzug. Ich schäme mich wegen meiner Überlegenheit und
erröte. Die anderen interpretieren es, wie es ihnen möglich ist.
    „Ist doch nix dabei!“, verkündet
Martin großkotzig.
    Er sagt das nicht, um mich zu
unterstützen.
    „Guckt mal, wie rot der wird“, ruft
Klaus.
    Alle lachen. Zeit für eine
Imagekorrektur.
    „In Bettina“, sage ich mit fester
Stimme.
    Ich puste mir den Pony aus der
Stirn, ringe mir ein Lächeln ab und fange Bettinas Blick ein. Tief schauen wir
uns in die Augen. Ich bemerke, dass Martins nervöser Blick gehetzt zwischen ihr
und mir hin und her huscht wie der Ball beim Tennis.
    Ass! Martin Null, Nori fünfzehn
Punkte .
    Martin gerät in Zugzwang. Plötzlich
bin ich wütend auf ihn.
    Was jetzt, fettes
Möchtegern-Alphamännchen?
    Silvia und Anja kichern, aber
Bettina schaut mich immer noch an. Plötzlich fühle ich mich ertappt. Ahnt sie
was? So bin doch ich es, der zuerst wegschaut. Dann kichert Bettina auch, und
die Mädchen verschanzen sich wieder hinter ihrem Schutzwall aus Flüstern und
ins Gesicht geworfenen Haaren. Martin guckt, als würde er gleich heulen. Das bemerkt
auch Klaus.
    „Martin ist eifersüchtig“, ruft er
mit blöd verstellter Stimme. Auf Klaus ist halt Verlass. Der Bus bremst, und
die Flasche rollt bis nach vorne zum Fahrer. Wir sind da.
     
    Die 8a gerät beim Anblick der
Erdmännchen völlig aus dem Häuschen. Wie das wachhabende Erdmännchen, das nah
dem Höhleneingang auf den Hinterbeinen hockt und uns aufmerksam beobachtet, hat
Frau Maler die Klasse im Blick. Zwei der braven Mädchen haben sich bei ihr eingehakt.
Heike und Simone. Sie tragen Partnerlook. Rüschenbluse und Pferdeschwanz.
    Meine Jungs und ich stehen etwas
abseits und demonstrieren überlegenes Desinteresse an diesem kindischen Treiben.
Bettina und Claudia knien vor der Glasscheibe, die das Gehege begrenzt und den
Blick auf die Tunnel freigibt. Sie unterhalten sich flüsternd. Angestrengt
versuche ich, mich an diesen Tag zu erinnern. Es gab ihn schon einmal, in einer
Vergangenheit, die jetzt das Heute ist. Aber welche Rolle spielt das noch?
    Die Karten werden neu gemischt. Und
nicht nur meine. Die Zukunft wird in diesem Augenblick neu geschrieben.
    Eine Krähe landet auf dem Dach über
dem Gehege.
    Das Erdmännchen pfeift, und einen
Wimpernschlag später sind sie alle in den Tunneln verschwunden.
    Meine Jungs finden das unglaublich
komisch.
    Es verwirrt mich, dass sich niemand
über mein Verhalten wundert. War ich immer so passiv? Meine Tante sagte mir
mal, als wir gemeinsam alte Fotos anschauten, dass ich schon als Kind so einen
abgeklärten Blick hatte, als könne mich nichts wirklich berühren. Als ich
zuschaue, wie meine Klassenkameraden sich aufführen, verstehe ich, was sie
meinte. Kreischen, durchdrehen, Fratzen schneiden, albern sein – all das gelang
mir nie. Nach einem Grund dafür habe ich nicht gesucht. Ich war halt so. Bin
so. Stellt sich nur die Frage, ob ich nicht konnte oder nicht wollte. Kann oder
will? Ich könnte es ja mal ausprobieren!
    Frau Maler gibt das Kommando, und
die Klasse marschiert weiter Richtung Bärengehege.
    Ich bleibe zurück, setze mir die
Kopfhörer
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