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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Autoren: René Grandjean
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wir ihn lassen. Wieder meldet sich mein schlechtes Gewissen. Ich bin ein Undercoverkind. Aber ein bisschen Wind von vorne ist bestimmt gut für die Charakterbildung.
    „ Wieso bist du eigentlich so ein Arsch“, frage ich Martin nicht unfreundlich.
    Heiner nimmt die Vorlage dankbar auf.
    „ Ja, wieso bist du eigentlich so ’n Arsch?“, blökt er.
    Und schon ist Revolution, werden die zugeteilten sozialen Rollen infrage gestellt. Herrje, ist das einfach.
    Martin schaut überrascht von einem zum anderen.
    „ Ist ja schon gut“, rudert er zurück.
    „ Geht doch“, sage ich und wende mich an Claudia:
    „ Wen lädst du denn ein?“
    „ Wozu einladen?“, fragt Jörg. Er riecht nach Rauch, setzt sich auf den freien Platz. „Fete?“, fragt er.
    Claudia erklärt es ihm.
    „ Geil!“, findet Jörg. „Die ganze Clique muss kommen. Alle vom Spielplatz. Auch unser Michael Jackson hier.“ Er schubst mich lachend.
    Michael Jackson? Das drückt meinen inneren
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. Ich fühle mich von Jörg respektiert.
    Nori, du Kindskopf! Kommt es darauf wirklich an?
     
    Die 8a macht soviel Lärm, dass die Paviane auf ihrem Felsen verstört innehalten und über den Graben zu uns rüberglotzen. Wer beobachtet hier eigentlich wen?
    Klaus tut so, als wolle er Claudia in den Graben stoßen. Thomas tut so, als würde er Klaus dafür verprügeln. Martin tut nichts, außer seine Krücken schwingen und Jörg verzieht sich, um heimlich zu rauchen. Wenigstens tut er nicht nur so.
    Die braven Mädchen, die Dorotheas mit ihren süßen Ringelsöckchen und Hochwasserhosen, die Messdienerinnen und Pfadfinderinnen betrachten verstohlen die von den Pavianmännchen bereitwillig präsentierten Genitalien.
    Ich sitze auf einer Bank und esse eine Milchschnitte, als Bettina von hinten über die Lehne klettert, und sich mit einem Seufzer neben mich setzt. Sie umschlingt ihre Beine mit den Armen, legt den Kopf auf ihre Knie und grinst mich an:
    „ Langweilig, oder?“
    Ich nicke und kaue. Ihr Zauber ist zurück. Sie fischt eine Bürste aus ihrem Beutel, wirft den Kopf nach vorn und beginnt, wild ihr Haar zu toupieren.
    „ Was du da vorhin im Bus gesagt hast“, sagt sie wie beiläufig. „Du weißt schon!“ Sie hält inne und schaut sehr ernst drein. „War das nur Spaß, oder hast du das ernst gemeint?“
    Schwer schlucke ich den letzten Bissen herunter. Ich spüre, dass sie erst wegschauen wird, wenn ich geantwortet habe. Ist sie das, die neu geschriebene Zukunft? Diese Szene gab es nicht in der Originalversion meines Lebens. Stumm danke ich dem Regisseur, dem Produzenten und dem Cutter in seiner Heiligen Dreifaltigkeit. Doch noch etwas ist anders. Ich halte ihn aus, den Blick ihrer braunen Augen. Aber ich bin nicht hier, um Mädchenherzen zu brechen. Es erscheint mir sogar falsch, das zu tun. Ich bin hier, um Dinge gerade zu rücken. Aber mich überkommt das unbestimmte Gefühl, dem kleinen Nori etwas zu schulden. Und hey, ich bin erst dreizehn; so wie sie. Wir sprechen ja nicht gleich vom Heiraten. Und so gibt es hier und heute nur eine richtige Antwort:
    „ Todernst!“
    Einen winzigen Augenblick lang sehe ich ein nervöses Flackern in ihren starken Augen. Meine Offenheit überrascht sie. Aber sie schaut nicht weg, und ich auch nicht. Dann grinse ich, und sie nickt und schiebt anerkennend die Unterlippe vor.
    „ Hut ab, Nori. Aus dir wird ein toller Kerl.“
    Und dann küsst sie mich blitzschnell auf die Wange, springt auf und läuft davon. Ich will noch etwas sagen, will ihr hinterher, als die Paviane plötzlich mit Fäkalien werfen. Die 8a zerstreut sich panisch in alle vier Himmelsrichtungen.
     
    Auf der Rückfahrt ist es ruhig im Bus. Angenehm ruhig. Wie kam es bloß dazu, das sie neben mir sitzt? Bettinas Kopf liegt an meiner schmalen Schulter. Er ist ganz leicht. Ich sitze starr, damit keine meiner Bewegungen sie weckt und dazu bringt, ihn wegzunehmen. Ihre Haare kitzeln meine Wange und mein Ohr. Sie riechen nach Haarspray, Apfelshampoo und Unschuld. Unschuld – nichts beschreibt diesen Moment besser als dieses Wort. Mir ist, als würden sich mein Verstand, meine Gefühle, mein ganzes Ich langsam meinem kleinen Körper angleichen. Als wäre sein Füllvermögen zu gering, um den alten, den erwachsenen Nori ganz in sich aufzunehmen. Wie eine überlaufende Badewanne. Ich hoffe inständig, dass nur die richtigen Informationen verloren gehen werden.
    Von der Bank hinter uns höre ich unterdrücktes Gekicher. Ich ahne Böses,
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