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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert
Autoren: Georges Simenon
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kommt.«
    Der Laden in der Avenue de l’Opéra war zwar auch vornehm, verkaufte aber gleichzeitig Füllfederhalter und gewöhnlichere Papierwaren.
    »Dann will ich mal los, Chef.«
    Der Glückspilz! Maigret sah ihm nach wie einem Schulkameraden, den der Lehrer mit einem Auftrag wegschickte. Ihm blieb Alltagskram, Papierkram und noch mal Papierkram, ein langweiliger Bericht für einen Untersuchungsrichter, der ihn ungelesen zu den Akten legen würde, denn der Fall war längst begraben.
    Seine Pfeife füllte den Raum allmählich mit einem blauen Dunst. Eine ganz leichte Brise wehte von der Seine herauf und raschelte in den Papieren. Um elf Uhr kam Lapointe schon wieder zurück. Voller Ungestüm platzte er ins Büro.
    »Es ist immer noch zu einfach!«
    »Wie meinst du das?«
    »Man könnte glauben, dass dieses Papier absichtlich gewählt wurde. Übrigens, die Papeterie Roman wird nicht mehr von Monsieur Roman geführt, denn der ist schon vor zehn Jahren gestorben, sondern von einer Madame Laubier, einer Witwe in den Fünfzigern, die mich nur unter Bedauern Weggehen ließ... Papier von dieser Qualität hat sie mangels Käufern seit fünf Jahren nicht mehr bestellt. Es ist nicht nur besonders teuer, sondern es eignet sich auch schlecht für die Schreibmaschine.
    Sie hatte dafür noch drei Kunden. Der eine ist letztes Jahr gestorben, ein Graf, der ein Schloss und einen Rennstall in der Normandie besaß. Seine Witwe lebt in Cannes und hat das Briefpapier nie bestellt. Ferner war da eine Botschaft, aber als der Botschafter ausgetauscht wurde, bestellte der neue ein anderes Papier.«
    »Bleibt also ein Kunde?«
    »Ja, ein Kunde, und deshalb sage ich, dass es zu einfach ist. Es handelt sich um Monsieur Emile Parendon, einen Rechtsanwalt in der Avenue Marigny, der dieses Papier seit fünfzehn Jahren benutzt. Er will kein anderes. Ist Ihnen dieser Name bekannt?«
    »Nie gehört. Hat er kürzlich von dem Papier bestellt?«
    »Das letzte Mal im vergangenen Oktober.«
    »Mit Briefkopf?«
    »Ja. Sehr diskret. Immer tausend Blatt und tausend Umschläge.«
    Maigret hob den Telefonhörer ab.
    »Verbinden Sie mich mit Maître Bouvier, bitte. Dem Vater.«
    Ein Anwalt, den er seit mehr als zwanzig Jahren kannte und dessen Sohn ebenfalls Anwalt war.
    »Hallo! Bouvier?... Hier Maigret. Störe ich Sie nicht?«
    »Sie nie!«
    »Ich hätte gern eine Auskunft.« »Natürlich eine vertrauliche...«
    »Ja, es sollte tatsächlich unter uns bleiben. Kennen Sie einen Kollegen namens Emile Parendon?«
    Bouvier schien überrascht.
    »Was in aller Welt will die Kriminalpolizei von Parendon?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nichts.«
    »Das denke ich auch. Ich bin Parendon höchstens fünf- oder sechsmal in meinem Leben begegnet. Er geht so gut wie nie vor Gericht und wenn, dann nur bei Zivilprozessen.«
    »Wie alt?«
    »Schwer zu sagen. Vierzig, vielleicht fünfzig.«
    Und wohl an seine Sekretärin gewandt:
    »Schlagen Sie doch bitte im Jahrbuch der Anwaltskammer das Geburtsdatum von Parendon nach... Emile... Es gibt übrigens nur den einen.«
    Dann wieder zu Maigret.
    »Sie haben gewiss schon von seinem Vater gehört. Er lebt noch oder dürfte erst kürzlich gestorben sein. Professor Parendon, Chirurg im Laennec-Spital. Mitglied der Akademie für Medizin, der Akademie für Geisteswissenschaften und Politik und was weiß ich noch alles. Eine Persönlichkeit! Wenn wir uns einmal sehen, erzähle ich Ihnen von ihm. Er kam blutjung vom Land nach Paris. Klein und stämmig, wie er war, sah er aus wie ein junger Stier, und er sah nicht nur so aus!«
    »Und sein Sohn?«
    »Der ist eher ein Jurist. Er hat sich auf Internationales Recht und insbesondere auf Seerecht spezialisiert. Es heißt, auf diesem Gebiet sei er unschlagbar. Die Leute kommen von weit her, um ihn zu konsultieren, und auch in schwierigen Schiedsgerichtsverfahren, bei denen es um große Summen geht, wird er oft als Experte beigezogen.«
    »Was für ein Mensch ist er?«
    »Unscheinbar. Ich weiß nicht, ob ich ihn auf der Straße erkennen würde.«
    »Verheiratet?«
    »Danke, meine Liebe... So, ich habe sein Alter. Sechsundvierzig Jahre. Ob er verheiratet ist? Ich wollte gerade antworten, dass ich mich nicht erinnern kann, ob... Aber jetzt fällt es mir wieder ein: Natürlich ist er verheiratet! Und sogar sehr gut verheiratet! Seine Frau ist eine der Töchter von Gassin de Beaulieu. Sie kennen ihn. Er war einer der energischsten Richter in der Befreiungszeit. Wurde dann zum Obersten
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