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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette
Autoren: Georges Simenon
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brauchen mich wohl nicht mehr?« sagte der Arzt und ging dann.
    Der Kommissar vom Revier fragte, ob er noch bleiben solle, bis die Beamten vom Erkennungsdienst eingetroffen seien, und enteilte darauf in sein nur wenige Schritte entferntes Büro. Lognon dagegen wartete gehorsam, bis man ihm sagen würde, daß man ihn nicht mehr benötige, und stand immer noch mit saurer Miene in einer Ecke.
    »Haben Sie nichts gefunden?« fragte ihn Maigret, während er sich seine Pfeife stopfte.
    »Ich habe einen Blick in die Schubladen geworfen, Sehen Sie einmal im linken Kommodenfach nach.«
    Es war bis an den Rand voller Fotografien von Arlette. Einige waren Reklamefotos wie die in dem Schaukasten vom Picratt. Sie trug darauf ein schwarzes Seidenkleid, aber nicht das, das sie jetzt anhatte, sondern ein besonders enganliegendes.
    »Haben Sie ihre Nummer mal gesehen, Lognon? Sie sind doch hier aus der Gegend.«
    »Ich habe sie nie gesehen, aber ich weiß genau, welcher Art sie war. Wie Sie auf den Bildern, die da obenauf liegen, erkennen können, drehte sie sich im Takt der Musik und zog dabei langsam ihr Kleid aus, unter dem sie nichts trug. Zum Schluß war sie dann splitternackt.«
    Als Lognon das sagte, schien seine lange, knollige Nase sich vor Erregung zu röten. »So was sollen sie ja in Amerika viel auf der Bühne machen. Sobald sie nichts mehr am Leib hatte, ging das Licht aus.«
    Nach kurzem Zögern setzte er hinzu:
    »Sie sollten mal unter ihrem Kleid nachgucken.«
    Zu seiner Überraschung tat Maigret aber nichts dergleichen, und so murmelte Lognon schließlich:
    »Der Doktor, der sie untersucht hat, hat mich extra gerufen, um es mir zu zeigen. Sie ist vollkommen nackt. Selbst auf der Straße trug sie keine Unterwäsche.«
    Warum waren sie plötzlich alle drei verlegen? Wie auf Verabredung vermieden sie es, zu der auf dem Ziegenfell ausgestreckten Toten hinzublicken. Maigret warf nur noch einen flüchtigen Blick auf andere, bedeutend kleinere Fotos, zweifellos Amateuraufnahmen, die alle Arlette nackt und in den gewagtesten erotischen Stellungen zeigten.
    »Sehen Sie doch mal nach, ob Sie irgendwo einen Umschlag finden«, sagte er dann zu Lognon.
    Woraufhin dieser stumm grinste, wohl weil er annahm, der Kommissar wolle die Fotos mitnehmen, um sich in seinem Büro an ihnen zu weiden. Janvier hatte unterdessen begonnen, das Nebenzimmer gründlichst zu durchsuchen, und es bestand ein seltsamer Widerspruch zwischen der Wohnung und diesen Fotos, zwischen Arlettes Häuslichkeit und dem, was sie in ihrem Beruf getan hatte.
    In einem Schrank fanden sie einen Petroleumkocher, zwei blitzsaubere Töpfe, Teller, Tassen, Bestecke, und das alles wies darauf hin, daß sie zumindest öfter gekocht hatte. Draußen vor dem Fenster hing ein Speiseschrank, in dem Eier, Butter, Sellerie und zwei Koteletts lagen.
    Ein anderer Schrank war vollgestopft mit Besen, Putzlappen, Bohnerwachsbüchsen, lauter Dingen, wie sie zu einem geordneten Haushalt gehören und der Stolz jeder wirklichen Hausfrau sind.
    Vergeblich suchten sie dagegen nach Briefen und Papieren. Einige Magazine lagen herum, aber keinerlei Bücher, außer einem Kochbuch und einem französisch-englischen Wörterbuch. Ebensowenig fanden sie Fotografien von Eltern, Freunden oder Liebhabern, wie sie in den meisten Wohnungen zu finden sind.
    Arlette hatte eine Unmenge von Schuhen, alle mit übertrieben hohen Absätzen, und die meisten fast neu, als hätte sie eine besondere Leidenschaft für Schuhe gehabt. Aber vielleicht hatte sie so empfindliche Füße, daß sie nur schwer passende fand.
    In der Handtasche lagen eine Puderdose, Schlüssel, ein Lippenstift, der Personalausweis und ein nicht gezeichnetes Taschentuch. Maigret steckte den Personalausweis eis. Da er es in den beiden engen, durch die Zentralheizung überwarmen Zimmern kaum noch aushalten konnte, sagte er zu Janvier:
    »Du wartest hier, bis die Leute vom Erkennungsdienst eingetroffen sind. Ich werde wohl gleich noch einmal vorbeikommen. Sie werden sicherlich bald hier sein.«
    Da er keinen Umschlag gefunden hatte, schob er die Fotos in die Manteltasche, lächelte dabei Lognon zu, dem seine Kollegen den Spitznamen Inspektor Pechvogel gegeben hatten, und ging dann die Treppe hinunter.
    Eine lange und umständliche Arbeit war hier im Hause noch zu tun. Alle Mieter mußten verhört werden, darunter die dicke Frau mit dem aufgewickelten Haar, die sich offensichtlich für alles, was im Treppenhaus vorging, interessierte und die
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