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Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Maigret - 35 - Maigrets Memoiren

Titel: Maigret - 35 - Maigrets Memoiren
Autoren: Georges Simenon
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Inspektoren manchmal noch blutjung sind, während sie doch zu der fraglichen Zeit schon gesetzte Familienväter waren – oder umgekehrt.
    Ich hatte sogar die Absicht – da ich darauf verzichtet habe, kann ich es ja zugeben –, die chronologische Folge der Fälle, in die ich verwickelt war, ein für allemal festzulegen, und zwar anhand der Hefte mit den Zeitungsausschnitten, die meine Frau fortlaufend ergänzte.
    »Warum nicht?« hat Simenon gefragt. »Prima Idee! Damit kann man meine Bücher für die nächste Auflage korrigieren.«
    Ohne Ironie fügte er hinzu:
    »Nur eines, mein lieber Maigret! Sie müssen dann schon so freundlich sein und das selber machen, denn ich hab nicht den Mut, das Zeug nochmals zu lesen.«
    Im Grunde genommen habe ich jetzt gesagt, was ich zu sagen hatte, und wenn es nicht gut tönt, kann ich’s nicht ändern. Meine Kollegen werden mich verstehen – auch die anderen, die mehr oder weniger vom Bau sind. Für sie vor allem wollte ich die Dinge klarstellen, ihretwegen habe ich mich bemüht, nicht so sehr von mir als vielmehr von unserem Beruf zu erzählen.
    Es scheint, mir ist ein wichtiger Punkt entgangen. Ich höre, wie meine Frau behutsam die Tür zum Eßzimmer, wo ich arbeite, öffnet und auf Zehenspitzen näherkommt.
    Sie legt einen kleinen Zettel auf den Tisch und geht so leise aus dem Zimmer, wie sie gekommen ist. Ich lese den mit Bleistift gekritzelten Namen:
    »Place des Vosges«.
    Und ich kann mich eines Lächelns der Genugtuung nicht erwehren, denn es beweist, daß auch sie gewisse Dinge zu berichtigen hat, eine Kleinigkeit jedenfalls, und das aus dem gleichen Grund wie ich: aus Treue.
    Bei ihr ist es die Treue zu unserer Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir. Wir haben sie nie aufgegeben, wir behalten sie, auch wenn wir sie nur ein paar Tage im Jahr benutzen, seitdem wir auf dem Land leben.
    In mehreren seiner Bücher läßt Simenon uns an der Place des Vosges wohnen, ohne dies auch nur im geringsten zu erklären.
    Das schreibe ich nun also im Auftrag meiner Frau. Es stimmt, wir haben einige Monate lang an der Place des Vosges gewohnt, aber nicht in unseren eigenen Möbeln.
    In jenem Jahr hatte unser Vermieter sich endlich entschlossen, das Haus renovieren zu lassen, was es seit langem nötig hatte. Eines Morgens kamen Arbeiter und errichteten Fassadengerüste vor unsern Fenstern. Andere begannen Wände und Böden im Hausinnern aufzureißen, um die Zentralheizung einzubauen. Man hatte uns versichert, das Ganze würde höchstens drei Wochen dauern. Gleich darauf brach im Baugewerbe ein Streik aus, und wie lange der dauern würde, konnte man unmöglich voraussehen.
    Simenon war im Begriff, nach Afrika zu reisen, wo er fast ein Jahr bleiben sollte.
    »Warum ziehen Sie nicht in meine Wohnung an der Place des Vosges, bis die Arbeiten beendet sind?«
    So kam es, daß wir dort lebten – in Nr. 21, um genau zu sein –, ohne daß man uns vorwerfen kann, wir seien unserem guten alten Boulevard untreu geworden.
    Es hat auch eine Zeit gegeben, da Simenon mich in den Ruhestand versetzte, und dabei war ich alles andere als pensionsreif und hatte noch etliche Dienstjahre vor mir.
    Wir hatten soeben unser Haus in Meung-sur-Loire gekauft und verbrachten alle meine freien Sonntage damit, die Zimmer neu herzurichten. Er hat uns dort besucht. Das Haus und die Gegend haben ihn dermaßen bezaubert, daß er im nächsten Buch den Ereignissen Vorgriff, mich schamlos älter machte und uns endgültig dort ansiedelte.
    »Es ändert ein bißchen die Atmosphäre«, hat er auf meine Vorwürfe geantwortet. »Ich hab’ den Quai des Orfèvres allmählich satt bekommen. «
    Man erlaube mir, diesen Satz hervorzuheben. Ich finde ihn ungeheuerlich. Er, verstehen Sie, bekommt den Quai, bekommt mein Büro, bekommt den Alltag bei der Kriminalpolizei allmählich satt!
    Was ihn in der Folge nicht gehindert hat und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht hindern wird, frühere Untersuchungen zu schildern, immer ohne Zeitangaben, indem er mir bald sechzig, bald fünfundvierzig Jahre andichtet.
    Schon wieder meine Frau. Hier habe ich kein Büro. Ich brauche keines. Wenn ich dann und wann arbeiten muß, setze ich mich an den Tisch im Eßzimmer, und Louise muß sich mit der Küche begnügen, was ihr keineswegs mißfällt. Ich sehe sie an, erwarte, daß sie mir etwas sagen will. Aber sie hält nur wieder einen ihrer kleinen Zettel in der Hand und legt ihn zaghaft vor mich hin.
    Diesmal ist es eine Liste, wie wenn ich in die
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