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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut
Autoren: Michael Ridpath
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klang nach einem Mann.
    Dann gab es einen kurzen, spitzen Schrei.
    »Das ist Mutter!« Hallgrím schlich weiter, überhörte Benedikts leises Flehen, lieber das Weite zu suchen. Sein Herz schlug laut. Er hatte keine Ahnung, was er zu Gesicht bekäme. Konnte das wirklich seine Mutter sein, und wenn ja: War sie in Gefahr?
    Vielleicht suchten die Berserker wieder das Lavafeld heim.
    Hallgrím zögerte, weil ihn seine Angst fast überwältigte, dann riss er sich zusammen. Er schluckte und schlich weiter.
    Auf einem Mooskissen in einer Senke sah er den nackten Hintern eines Mannes, der sich über einer halbbekleideten Frau auf und ab bewegte. Ihr von goldenem Haar umrahmtes Gesicht war Hallgrím zugewandt. Sie konnte ihn jedoch nicht sehen; ihre Augen waren geschlossen, und ein leise wimmernder Laut kam über ihre geöffneten Lippen.
    Mutter.

    Beim Abendessen schien sie guter Laune zu sein. Vater war aus dem Berg zurückgekehrt, nachdem er das Mutterschaf in einer Spalte gefunden hatte.
    Hallgríms Mutter liebte ihre Kinder sehr, zumindest die meisten. Sie war stolz auf Hallgríms drei Schwestern, die sie zu fleißigen, ehrlichen Frauen erzog.

    Nur auf Hallgrím nicht. Ihn konnte sie einfach nicht leiden.
    »Halli! Wo hast du dir die Knie aufgeschrammt?«, wollte sie wissen.
    »Ich habe sie nicht aufgeschrammt«, sagte Hallgrím. Er stritt wie immer alles ab, auch wenn er nie damit durchkam.
    »Hast du wohl! Das ist Blut. Und die Knie sind schmutzig.«
    Hallgrím schaute an sich hinab. Es stimmte. »Ich bin die Treppe runtergefallen.«
    »Du hast auf dem Lavafeld gespielt, nicht wahr? Obwohl ich dir ausdrücklich gesagt habe, du sollst deine Schulaufgaben machen.«
    »Nein, da war ich nicht. Ich war die ganze Zeit zu Hause.«
    »Hältst du mich für dumm?« Seine Mutter wurde lauter. »Gunnar, willst du deinem Sohn nicht Einhalt gebieten? Er soll aufhören, seine Mutter zu belügen.«
    Auch der Vater schien Hallgrím nicht besonders zu mögen. Doch noch weniger mochte er seine Frau, trotz ihrer Schönheit.
    »Lass den Jungen in Frieden«, sagte er.
    Die gute Laune der Mutter war längst dahin. »Auf dein Zimmer, Halli! Jetzt sofort! Du kommst erst wieder runter, wenn du deine Hausaufgaben fertig hast. Und dein Bruder darf deinen Skyr essen.«
    Hallgrím erhob sich und schaute sehnsüchtig auf den Teller mit Joghurt und Beeren, den er zurücklassen musste. Er schlenderte auf die Treppe zu.
    In der Tür blieb er stehen.
    »Du hattest recht, Mutter. Ich war doch mit Benni auf dem Lavafeld.«
    Es befriedigte ihn, dass seine Mutter rot anlief.
    »Ich habe dich mit Bennis Vater gesehen«, fuhr er fort. »Was habt ihr da gemacht?«
    »Raus!«, schrie seine Mutter. »Auf dein Zimmer!«
    Als nachts alle Kinder im Bett und die Lampen erloschen waren, hörte Hallgrím seinen Vater toben und seine Mutter schluchzen.
    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schlief der Junge ein.

3
    Mittwoch, 16. September 2009

    Sergeant Detective Magnus Jonson vom Boston Police Department schloss die Augen, als er sich in das herrlich warme Wasser gleiten ließ. Sein Körper kribbelte nach den dreißig Bahnen, die er gerade in der kalten Luft geschwommen war, und das überraschend warme Wasser verstärkte den Effekt noch. Es herrschte eine Außentemperatur von sechs Grad Celsius, doch das mit Erdwärme geheizte Becken hatte vierzig Grad. Dampf schwebte einen halben Meter über dem Schwimmbecken mit seinen olympischen Abmessungen, in dem zahlreiche Badegäste ihre Bahnen zogen. Es war sechs Uhr, die geschäftigste Tageszeit im Laugardalur-Bad, wenn sich die Reykjavíker Männer und Frauen nach der Arbeit zum Schwimmen und Plaudern trafen. Dass sie sich an einem kalten, grauen Septemberabend fast nackt draußen aufhielten, schien niemanden zu stören.
    »Aah, das fühlt sich gut an«, sagte der große, schlanke Mann, der neben Magnus ins Becken glitt. »Du schwimmst ganz schön schnell.«
    »Irgendwie muss ich meine Energie ja loswerden, Árni«, sagte Magnus. »Und die Aggression.«
    »Welche Aggression?«
    »Ich bin es nicht gewohnt, den ganzen Tag in einem Klassenzimmer zu sitzen.«
    »Du würdest wohl lieber durch die Straßen von Boston laufen und mit deiner .357 Magnum Drecksäcke abknallen?«
    Magnus warf seinem Begleiter einen kurzen Blick zu. Obwohl er
nun schon seit vier Monaten in Reykjavík wohnte, war sich Magnus nie ganz sicher, wann es ein Isländer ernst meinte. Bei Árni Holm war das besonders schwer zu sagen. Er hatte einen sehr
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