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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod
Autoren: Donald E. Westlake
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im Unterhemd in dem Hotelzimmer mit der Klimaanlage. Es gab zwei breite Betten. Auf dem einen streckte ich mich aus und schob mir zwei Kissen unter den Kopf. Mein Vater lief im Zimmer herum, nahm Aschenbecher, Gläser und Telefonbücher in die Hand und stellte sie wieder an ihren Platz. Ich erinnerte mich nicht, dass ich ihn jemals so unruhig gesehen hätte.
    Sonst war er ganz der Alte. Sein Aussehen hatte sich nicht verändert. Er wirkte so kräftig, als ob drei Jahre spurlos an ihm vorübergegangen wären. Er war um die fünfzig, hatte graumelierte rote Haare, seinem Alter entsprechend einen Bauchansatz, und er trug eine Brille mit Plastikgestell und altmodischen, runden Gläsern. Ganz der Alte. Ich trug T-Shirts, aber er bevorzugte immer noch die dünnen Netzunterhemden mit schmalen Trägern, die Arme und Schultern freiließen. Er hatte fleischige, ein wenig gebeugte Schultern, die voller Sommersprossen waren.
    Er erzählte mir, was inzwischen alles passiert war. Mein großer Bruder Bill war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Er hatte eine Frau und ein Kind, war bei Carmine Track Sales angestellt und hatte vor einem Jahr seinen Führerschein gemacht. Onkel Henry war immer noch der Alte. Überhaupt waren alle immer noch die Alten.
    Nachdem wir das Abendessen hinter uns gebracht hatten, wollte Dad sofort wieder ins Hotel zurück. Er sagte etwas von wegen, er brauche den Schlaf vor der Fahrt morgen, aber ich meinte: »Komm schon, es ist erst halb acht. Los, Dad, ich werde kaum eine andere Gelegenheit haben, um mir New York anzusehen. Um Mitternacht sind wir wieder im Hotel, das verspreche ich dir.«
    Mit einem Schulterzucken willigte er ein. Wir sahen uns den Times Square und einiges andere an, und ich war enttäuscht. Ich hatte etwas Einzigartiges erwartet. Wie München, das ich klasse fand. Als ich zum ersten Mal dorthin kam, glaubte ich, noch nie etwas Ähnliches gesehen zu haben. Aber New York war nur ein größeres Binghamton, wie eine kleine Fotografie, die vergrößert worden war. Alles ist größer, und man sieht die Körnung und die unscharfen Stellen überdeutlich.
    Wir kamen schon vor Mitternacht ins Hotel zurück, und am nächsten Morgen brachen wir gegen neun Uhr auf. Der Geschmack des Rühreis, das wir zum Frühstück hatten, blieb mir im Mund, und die Zigaretten schmeckten mir kaum.
    Der Wagen wurde aus der Hotelgarage gebracht. Es war ein Oldsmobile. Mein Vater kaufte immer Oldsmobile. Aber diesen Wagen hatte ich noch nie gesehen. Er war schwarz, ein Modell vom vorigen Jahr. Bei meiner Versetzung nach Deutschland hatte er einen Wagen in zwei verschiedenen Blautönen gehabt.
    Wir verstauten das Gepäck im Kofferraum, und mein Vater erledigte die Sache mit den Trinkgeldern. Dann stiegen wir ein und fuhren auf der 53rd Street in westlicher Richtung durch die Stadt.
    Ich wollte das Fenster herunterkurbeln, doch mein Vater sagte: »Nein, lass es zu. Pass mal auf.«
    Ich passte auf. Er drückte auf einen Knopf, und ich hörte ein Surren. Dann traf mich ein kalter Luftzug im Gesicht, der aus einer Öffnung über der Tür kam.
    »Klimaanlage«, erklärte er. »Kostet dreihundert Dollar extra und ist jeden Cent wert. Erneuert die gesamte Luft im Wagen einmal in der Minute.«
    »Die Juristerei wirft wirklich was ab«, bemerkte ich.
    »Ich habe in letzter Zeit tüchtig Fälle an Land gezogen«, sagte er lächelnd und schlug mir aufs Knie. Ich lächelte zurück. Ich fühlte mich wohl; ich fand es herrlich, wieder in den Staaten zu sein, zusammen mit meinem Vater, als Zivilist.
    Wir ließen den Henry Hudson Parkway hinter uns und fuhren über die George Washington Bridge. Wir benutzten den unteren Teil der zweistöckigen Brücke, und Dad sagte: »Der ist neu.«
    Vom Highway 9 bogen wir auf den Highway 17 und fuhren nach Westen Richtung Binghamton.
    Fünfzig Kilometer außerhalb von New York City, als wir die Straße fast ganz für uns hatten, holte uns ein braun-elfenbeinfarbener Chrysler ein und fuhr neben uns. Der Mann auf dem Beifahrersitz zielte mit einer Knarre und feuerte einen Schuss ab.
    Mein Vater sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Er öffnete den Mund und sagte mit einer hohen, fremden Stimme: »Kap.« Dann quoll Blut zwischen seinen Lippen hervor, als ob er etwas Rotes ausspucken wollte.
    Er kippte auf meinen Schoß, der Wagen geriet ins Schleudern und prallte gegen einen Brückenpfeiler.

2
     
    Ich erinnere mich, dass ich weggetragen wurde. Der Arzt sagte, das wäre unmöglich, ich müsste mich
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