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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod
Autoren: Donald E. Westlake
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Erschütterung fiel die Bibel vom Nachttisch. Als er sich aufrichten wollte, versetzte ich ihm eine Rechte, und er kippte rücklings um. Er wollte nicht aufstehen.
    Ich nahm das Auge von der Kommode und ging ins Bad. Ich wusch mir das Gesicht und sah mir im Spiegel beim Einsetzen des Auges zu. Das bereitete mir keine Übelkeit mehr. Meine Fingerknöchel waren verschrammt, und an der linken Kinnlade hatte ich einen Riss.
    Ich kehrte zurück und ließ mich wieder im Sessel nieder. Nach einer Weile richtete sich Bill auf und sagte: »Also gut.«
    »Wirst du nach Binghamton zurückgehen?«
    »Nein. Du hast recht.«
    Ich war nicht sicher, ob er begriffen hatte. »Was glaubst du wohl, weshalb ich hierhergekommen bin? Um bei den Sommerfestspielen mitzumachen?«
    »Nein«, erwiderte er. »Das weiß ich.«
    »Weißt du auch, was wir hier tun?«
    »Ja.«
    »Was denn?«
    »Wir suchen die Kerle, die Dad umgebracht haben.«
    »Für die Bullen?«
    Er sah mich an. »Mein Gott!« Er schüttelte den Kopf und sah weg. »Nein, nicht für die Bullen.«
    »Sondern für uns«, sagte ich. »Warum?«
    Diesmal wich sein Blick meinem nicht aus.
    »Weil er unser Vater war.«
    »Richtig«, bekräftigte ich.

7
     
    Wir verbrachten den Abend im Hotelzimmer, jeder mit einer Flasche Old Mr. Boston. Am folgenden Morgen um neun Uhr weckte uns Johnson mit einem Anruf. Ich sprach mit ihm.
    »Die Nummernschilder sind auf einen 1954er Buick eingetragen«, sagte er. »Vor drei Monaten gestohlen. Nicht der Wagen, nur die Nummernschilder. Viele Plymouth sind gestohlen worden. Das ist ein beliebter Wagen.«
    »Danke«, antwortete ich. »Genügt der Vorschuss dafür?«
    »Wenn das alles ist, was Sie wünschen.«
    »Danke«, wiederholte ich.
    »Hören Sie, Mr. Kelly, Sie brauchen nichts gegen mich zu haben.«
    »Ich habe nichts gegen Sie.« Ich legte auf und vergaß ihn. Ich beschäftigte mich einige Minuten mit dem Telefonbuch und einem Bleistift, und dann gingen wir frühstücken.
    Jetzt hieß die Anwaltsfirma McArdle, Krishman, Mellon & McArdle. Sie befand sich in einem Haus an der Ostseite der 5th Avenue, ein Stück von der Kathedrale entfernt. Am Freitagmorgen strömten die frühen Touristen in nördlicher Richtung, um sich die Kathedrale und die Luxushotels anzusehen. Wir bahnten uns einen Weg vom Taxi zur Haustür. Die weiblichen Vergnügungsreisenden trugen grüne Baumwollkleider. Alle kleinen Jungen hatten genau solche Hüte wie ihre Daddys. Ich hörte auf, meinen zu tragen, als ich zwölf Jahre alt war. Es war ein Sonn tagshut für den Kirchgang. In New York trug ich ihn nie. Viele Leute nehmen ihre Kinder nicht mit nach New York. Das hat gar nichts zu bedeuten.
    Im Erdgeschoss war die Tür des Aufzugs verchromt. Im sechsundzwanzigsten Stock war es eine braun gestrichene Metalltür. Ein geschickter Schildermaler hatte den ganzen Namen der Firma auf das Milchglas der Tür gebracht. Wir gingen hinein, und ich fragte die Sekretärin nach Mr. McArdle. »Ich meine den Senior«, fügte ich hinzu.
    Sie benahm sich so hochnäsig wie eine ganze Tanzschule und führte uns zum Junior.
    Ich schätzte ihn auf vierzig; er hatte einen wabbeligen Körper und ein rundes blasses Gesicht. Seine Augen waren feucht hinter der Hornbrille. »Nun, Jungs«, sagte er, »was kann ich für euch tun?«
    »Nichts«, erwiderte ich. »Wir wollen zu McArdle senior.«
    »Mein Vater ist nicht mehr in der Firma tätig.« Er lächelte wie ein Verkäufer von Abführmitteln. »Ich versichere Ihnen, ich bin ein beinahe ebenso guter Anwalt wie er.«
    Er behandelte uns wie Halbwüchsige.
    »Sicher«, sagte ich. »Dann wollen wir zu Krishman. Samuel Krishman. Nicht zu einem seiner Vettern.«
    Er runzelte die Brauen und verzog den Mund. »Ich muss Sie leider bitten, mir Ihren Namen …«
    »Sagen Sie ihm: Willard Kelly«, bemerkte ich.
    Der Name sagte ihm nichts. Er betrachtete die Karte auf seinem Schreibtisch. »Ihr Vorname ist doch Raymond.«
    »Das ist mein Vater.«
    »Raymond ist Ihr Vater?«
    »Das ist mir zu dumm.« Ich zeigte auf das Telefon. »Nehmen Sie den Hörer und sagen Sie Mr. Samuel Krishman, Willard Kellys Sohn sei hier.«
    »Das werde ich nicht tun.«
    Ich ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. Er wollte danach greifen, und ich sagte: »Bill.« Er betrachtete Bill, der um den Schreibtisch herumkam, und er sank zurück, noch blasser als zuvor. »Das wird Sie teuer zu stehen kommen«, stieß er hervor. Aber das war nur eine Redensart, die man benutzt, wenn man
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